Ein Erfahrungsbericht von Janto Kottmann
Da es schon immer mein Traum war eine Zeit außerhalb von Deutschland zu verbringen, bot sich mir die Gelegenheit mein Praxissemester im Ausland zu absolvieren. Ich entschied mich für China, denn das Reich der Mitte hat eine der letzten wachsenden Wirtschaft weltweit und wird somit immer eine wichtige Region in meiner zukünftigen Karriere als Wirtschaftsingenieur sein.
Ein persönlicher Grund war, dass ich mich selbst herauszufordern und lernen wollte, in einer völlig fremden Kultur zurechtzukommen. Also bewarb ich mich in mehreren deutschen Firmen in Peking und Shanghai. Der Bewerbungsprozess frustrierte mich immer mehr, denn die meisten Firmen antworteten gar nicht oder setzten einschlägige Erfahrungen und perfekte Englischkenntnisse voraus. Meine Hartnäckigkeit wurde jedoch belohnt, denn ich bekam die große Chance mein Praxissemester von Oktober 2013 bis Januar 2014 bei einer Firma in Peking zu absolvieren. Im folgenden Bericht werde ich über meine Erfahrungen und Erlebnisse berichten.
To-Do-Liste zur Vorbereitung auf China
Es gibt eine Menge zu beachten und zu planen, wenn man nach China reisen möchte. Um bloß nichts zu vergessen, erstellte ich mir nach und nach eine To-Do-Liste und arbeitete sie ab. Die Kosten für meine Unterkunft und das Mittagessen während der Arbeitszeiten wurden vom Unternehmen übernommen. Auch die Ausgaben für die Flugtickets wurden mir teilweise zurückerstattet. Eine monatliche Vergütung während des Praktikums wurde jedoch nicht gezahlt. Somit machte ich mich auf die Suche nach Geldquellen. Meine erste Anlaufstelle war ein Geldinstitut, das Studienkredite vergab. Da diese Bank mich schon seit einigen Semestern unterstützte, war es kein großes Problem sie von meinem Vorhaben zu begeistern und sie erklärten sich bereit, mich mit einem monatlichen Fixbetrag zu unterstützen. In einer Info-Veranstaltung des akademischen Auslandsamtes wurde ich auf das Promos-Programm des DAAD aufmerksam. Ich besorgte alle erforderlichen Unterlagen und reichte sie ein. Erfreulicherweise erhielt ich kurze Zeit später eine Zusage.
Reisepass, Visum und Flugtickets
Als Erstes musste ich einen Reisepass beantragen, den ich benötigte um ein Visum zu erlangen. Nun galt es, einen geeigneten Zeitraum zu finden indem ich mein Praktikum absolvieren konnte, damit ich die Flugtickets buchen konnte. Als dies nun endlich erledigt war musste ich ein Visum beantragen. Da das für mich zuständige chinesische Konsulat in Frankfurt war, entschied ich mich eine Agentur zu beauftragen. Um ein Visum zu beantragen benötigt man einen ausgefüllten vierseitigen Antrag mit Passfoto, eine offizielle Einladung mit Unterschrift und Stempel des Unternehmens und den Reisepass. Als ich alle Unterlagen beisammen hatte und zur Agentur fuhr, erfuhr ich, dass ich mit diesen Unterlagen höchstens ein Visum für die Dauer von maximal 90 Tagen bekäme und selbst dafür bräuchte ich die gebuchten Flugtickets für Ein- und Ausreise. Etwas frustriert durchsuchte ich das Internet nach einer Lösung, denn ich hatte zuvor irgendwo etwas von Business-Visa für Praktika mit einem Aufenthalt von mehr als 90 Tagen gelesen. Ich fand heraus, dass ich ein offizielles amtliches Einladungsschreiben benötigte, was mir meine Agentur auch bestätigte (Das hätten die mir auch gleich sagen können). Auch das Unternehmen wusste nicht, dass ein solches Einladungsschreiben meinen Aufenthalt erleichtern würde und so mussten sie sich auch erst einmal informieren. Somit dauerte es eine Weile bis ich dann mein offizielles amtliches Einladungsschreiben erhielt und ich bei der Visabeantragung keine Probleme mehr hatte. Ich bekam ein Visum mit einer Aufenthaltserlaubnis von 120 Tagen.
Gesundheit: Impfungen für den Chinaaufenthalt
Sehr wichtig sind Impfungen, denn in China herrschen andere Hygienestandards als in Deutschland, sei es in Restaurantküchen oder in traditionellen Krankenhäusern. Welche Impfungen ich benötigte, erfuhr ich auf der Homepage des Auswärtigen Amtes. Zusätzlich beriet mich mein Hausarzt und wir entschieden uns für die Auffrischung der Standardimpfungen Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Polio, eine Grippeimpfung (China ist das Herkunftsland der Vogelgrippe), Impfungen gegen Hepatitis A und B und Typhus. Dabei ist zu beachten, dass die Impfung gegen Hepatitis zweimal in bestimmten Zeitabständen wiederholt wer-den muss. Die Kosten für die Standard- und Grippeimpfungen übernahm meine Krankenkasse, die anderen Impfungen musste ich zunächst selbst zahlen. Zum Glück erstattete mir meine Krankenkasse sämtliche Kosten später anstandslos zurück. Außerdem sollte man eine Auslandskrankenkasse abschließen, um gegen Kosten eines eventuellen Unfalls oder eines simplen Arztbesuchs abgesichert zu sein. Ich entschied mich für eine Versicherung, die mit meiner eigentlichen Krankenkasse zusammenarbeitete, da sie sehr günstig war. Ich habe die Entscheidung nicht bereut, denn ich musste in China tatsächlich einen Arzt aufsuchen.
Unterkunft beim Praktikum in China
Die möblierte Wohnung, die mir zur Verfügung gestellt wurde, gehört einem Arbeitskollegen. Die Wohnung lag in einer typisch chinesischen Umgebung Mitten in Peking zwischen der Verbotener Stadt und dem Himmelstempel. In direkter Nachbarschaft waren riesige Einkaufszentren, mit unzähligen Restaurants und Geschäften diverser Modemarken. Außerdem gab es einen großen Lebensmittelladen, der sogar Butter und Käse verkaufte. Eine Butter kostete knapp vier Euro und eine Packung Scheiblettenkäse über sechs Euro. In China ist es eher üblich, essen zu gehen. Das fiel mir am Anfang jedoch sehr schwer, da ich weder chinesisch sprechen konnte, noch jemanden kannte des es tat. Also hielt ich mich zu Beginn an altbekanntem: McDonald’s, Burger King, KFC, usw. Dort sprach man meist auch kein Englisch, jedoch legte man einem Laowai (Ausländer) immer direkt eine Karte vor, wo man dann nur noch draufzeigen musste, was man wollte. Ein Menu kostete ca. 3 bis 5 Euro. Am Anfang rettete mir das das Leben, denn in China war ich ein Analphabet. Ich konnte weder lesen und schreiben noch mit den Menschen sprechen, denn auch Englisch sprechen in der Hauptstadt Peking nur wenige Menschen.
Praktikumsstelle in Peking
Mein Praktikumsgeber war ein Unternehmen für die Entwicklung und Herstellung komplexer Spinnanlagen für die Herstellung von Chemiefasern, die z.B. zu Kleidung, Autoreifen, Sicherheitsgurte und technische Textilien wie Geotextilien verarbeitet werden. Die Ausgangslage meines Praktikums in Peking war, dass sich aufgrund wachsender Vielfalt der Varianten und Anforderungen der Reparaturarbeiten, der Reparaturprozess verkompliziert und verlangsamt hat. Das führte immer wieder zu Kundenbeschwerden. Die damalige Datenauswertung reichte nicht aus, um genaue Analysen zu erstellen und Verbesserungen einzuleiten. Aufgrund der fehlenden Informationen war die Kommunikation zum technischen Service lückenhaft, was dazu führte, dass dem Kunden keine klare Auskunft über den Verbleib seiner zu reparierenden Maschinenteile erteilt werden konnte.
Meine Aufgabe war es, eine Analyse des damaligen Standes der Reparaturprozesse durchzuführen. Dies setzte ich mithilfe des neuangelegten CRM-Systems um, indem ich sämtliche Daten zusammentrug und daraus mithilfe von Excel ein Cockpit Chart erstellte. Mit Hilfe dieser Datei kann man nun für bestimmte Zeiträume oder bestimmte Werkstätte Werte graphisch anzeigen lassen. Daraus kann man nun Kennzahlen erstellen, die zum Beispiel die Werkstätte oder bestimmte Zeiträume miteinander vergleichbar und bewertbar machen. Die Excel Datei wurde in das CRM System integriert, sodass verschiedene Daten direkt, ohne Umwege über Excel, analysiert werden können. Außerdem erscheint bei zu langer Reparaturzeit ein Abfragefenster in der Werkstatt, indem der Grund für die Verspätung abgefragt wird. Mithilfe dieser Information kann der technische Service heute dem Kunden verbindliche Angaben über Beendigung der Reparatur übermitteln.
Freizeit und Reisen: Peking und Xi’an
Wenn man in einer 20-Millionen-Einwohner-Stadt wie Peking lebt, gibt es eine Menge zu sehen. Alleine wenn man nur spazieren geht, sieht man Dinge, die man noch nie zuvor gesehen hat. Ob es nur darum geht eine Kreuzung zu überqueren, etwas einzukaufen oder U-Bahn fährt, alles ist anders als in Deutschland. Aber selbstverständlich habe ich mir auch Sehenswürdigkeiten angeschaut. Da Peking sehr groß ist, hatte ich hier schon genug zu sehen. So ist es schon faszinierend sich die teilweise sehr künstlerisch gestalteten Gebäude anzusehen. Das berühmteste neumodische Gebäude in Peking ist wohl der CCTV-Tower. Das Gebäude wurde von einem deutschen Architekten entworfen und 2009 fertiggestellt. Es beherbergt die Sendezentrale des staatlichen Fernsehsenders (CCTV).
Selbstverständlich habe ich mit die verbotene Stadt angesehen, in ihr lebten bis 1911 die chinesischen Kaiser. Dem einfachen Bürger war der Zutritt verboten, daher der Name. Die verbotene Stadt zählt zum Weltkulturerbe. In ihr befanden sich unter anderem die Paläste der Herrscher, ihrer Eltern, Frauen und Konkubinen. Die Dächer der Hauptgebäude waren teilweise vergoldet und kein Gebäude der Stadt durfte höher sein als die Gebäude der verbotenen Stadt. Ein anderes Muss für Peking-Besucher ist die chinesische Mauer oder auch große Mauer genannt. 50 Kilometer von Peking entfernt befinden sich die Ming-Gräber. Dabei handelt es sich um eine Begräbnisstätte von Kaisern der Ming-Dynastie. 13 der 16 Ming-Kaiser sind hier begraben, außerdem kaiserliche Konkubinen und ein Eunuch. Nur das Grab des Kaisers Wanli ist der Öffentlichkeit zugänglich. Er ist hier mit seinen zwei Frauen beerdigt. Auch das im Jahr 2008 eröffnete Olympiastadion (auch „Vogelnest“ genannt) habe ich besichtigt. Während der Olympischen Spiele 2008 in Peking fanden hier die Leichtathletik-Wettkämpfe, das Finale des Fußballturniers sowie die Eröffnungs- und Schlussfeiern statt.
Mit einem Arbeitskollegen habe ich einen Wochenendausflug in das ca. 1.000 km entfernte Xi’an gemacht. Um Hotelkosten zu sparen sind wir an einem Freitagabend per Nachtzug gestartet. Wir hatten relativ bequeme Hochbetten im Zug, daher konnten wir gut schlafen und kamen Samstagmorgen in Xi’an an. Der Samstag war für eine Wanderung auf dem nahegelegenen Hua Shan Berg verplant. Das Gebirge ist wegen seiner steilen und sehr gefährlichen Steige auf den Gipfel berühmt. Der Gipfel des Berges ist 2.100 m hoch und er ist bekannt aufgrund seiner Bergpfade, die Klöster, Pagoden, Tempel, Brücken und Tore mit einander verbinden. Am Sonntag besichtigten wir das Mausoleum des ersten Kaisers von China, das eines der größten Grabanlagen der Welt ist und ebenso bekannt für seine Soldartenfiguren ist, die Terrakotta Armee. Danach sahen wir uns die im Jahre 652 errichtete Tempelanlage Große Wildganspagode an und den Abend verbrachten wir dann in Xi’an selbst, um dann abends wieder per Nachtzug zurück nach Peking zu fahren.
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Fazit: China als riesiges Abenteuer
China war für mich ein riesen Abenteuer und ich habe eine Menge gelernt. In China ist fast alles anders als in Deutschland, nichts ist so geregelt und sicher. Ich musste mich sehr daran gewöhnen. Zum Beispiel sind Ampeln in China eher eine Empfehlung für Fußgänger und Rechtsabbieger haben immer Vorfahrt. Das schlimmste war, dass ich nicht lesen und schreiben konnte und dass kaum jemand Englisch sprach. So musste ich lernen, mich zu verständigen und mein Smartphone wurde mein bester Freund, denn ich musste Google Maps nutzen, um dem Taxifahrer verständlich zu machen wo ich hinwollte, ließ mir die wichtigsten Sätze auf Chinesisch zuschicken, nutzte eine U-Bahn App, um mich zu orientieren oder hielt Kontakt mit Freunden und Kollegen via WeChat. Nach kurzer Zeit verstand ich auch, warum Chinesen oft einen externen Akku für ihr Handy hatten.
Da im Büro nahezu jeder Englisch sprach, verbesserten sich meine Sprachkenntnisse rapide. Nach anfänglichen Schwierigkeiten war es bald kein Problem mehr mit Kollegen zu sprechen, sogar zu telefonieren. Da ich viel mit Excel arbeitete, lernte ich auch hier immer neue Dinge dazu. Es war auch sehr interessant, theoretisch Erlerntes, wie z.B. Lean Six Sigma, teilweise in der Praxis anzuwenden. China hat mir so gut gefallen, dass ich, nach ein paar Prüfungen in Hagen, wieder zurückgekommen bin, um hier meine Abschlussarbeit zu schreiben. Das Ziel meiner Arbeit ist die Analyse und Verbesserung der Reparaturprozesse. Vor allem werde ich mich auf die Werkstatt in Peking konzentrieren, weil diese gerade in ein neues Gebäude umzieht, was mir die Möglichkeit gibt, die Ausstattung zu beeinflussen, da ich unter anderem das Management Tool 5S implementieren werde. Außerdem habe ich begonnen zur Sprachschule zu gehen um Chinesisch zu lernen, denn auch für die Zeit nach meinem Abschluss kann ich mir sehr gut vorstellen, für einige Jahre in China zu leben und zu arbeiten.
Unterstützung für die Beschaffung eines China-Visums finden Sie hier.
Haben Sie auch ein Praktikum in China gemacht? Sind Sie vielleicht momentan dort tätig? Dann freuen wir uns über einen Erfahrungsbericht von Ihnen! Einfach den Text an info@china-wiki.de senden – gerne mit ein, zwei Fotos von Ihnen in China.
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