Ein Erfahrungsbericht von Caroline Wöhrmann
Hongkong und Festland China – ein Land, zwei Systeme. Dieser Slogan beschreibt Hongkongs Alleinstellung in China sehr treffend. Hongkong gehört als Sonderverwaltungszone zwar zu China, ist jedoch komplett anders. Da ich zuvor in Shanghai ein Praktikum absolviert habe und auch Peking besucht habe, möchte ich meine Eindrücke gerne mit Ihnen teilen.
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Die Arbeit in Hongkong – toller Blick und lange Tage
Mein dreimonatiges Praktikum habe ich bei einer deutschen Großbank verbracht. Hauptgeschäftsfeld war die Betreuung deutscher Firmenkunden in Hongkong. Meine Einsatzabteilung, der German Desk des Corporate Banking, war die zentrale Anlaufstelle für alle Kundenanfragen aus Hongkong und Deutschland. Für mich drehte sich folglich alles um die Betreuung der Kunden. Meine Aufgaben umfassten alles, angefangen beim Geben von Auskunft über den Status von Zahlungsaufträgen bis hin zur Durchführung eigener Kundentermine zur Kontoeröffnung. Der wohl augenscheinlichste Unterschied zu meiner Arbeit in Deutschland war der fantastische Ausblick aus unserem Büro in dem zweithöchsten Gebäude der Stadt, an dem ich mich bis zum Schluss nicht satt sehen konnte. Der größte Nachteil an der Arbeit in Asien generell sind die längeren Arbeitszeiten, da die Kommunikation mit den Kollegen und Kunden aus Deutschland erst ab 16 Uhr starten kann.
Das Leben in Hongkong – teurer Käse und tolle Natur
Im Vergleich zu anderen chinesischen Großstädten ist Hongkong mit Abstand die westlichste und modernste Stadt. Hier ist das Leben als Ausländer insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Englischkenntnisse der Einwohner am unkompliziertesten, aber auch mit Abstand am teuersten. Die meisten Hongkong -Chinesen – die Einwohner in Hongkong legen besonderen Wert auf die Abhebung von den Festlandchinesen – sprechen sehr gutes Englisch und sind gerade bei Ausländern sehr hilfsbereit. Restaurantkarten sind meistens entweder auch auf Englisch oder sie haben alle Gerichte als Bilder abgebildet. Das gut ausgebaute öffentliche Nahverkehrssystem ermöglicht es einem, sich kinderleicht zurechtzufinden. Und wenn man doch einmal nicht weiß wo lang, kann man immer ein Taxi nehmen.
Hongkong ist mit knapp 8 Millionen Einwohnern zwar im Vergleich mit Deutschland eine riesige Stadt, jedoch im Vergleich zu Shanghai oder Peking mit jeweils ca. 20 Mio. eher klein. Und weil Hongkongs bebaubare Fläche sehr begrenzt ist, ist Wohnraum und generell Platz rar. So kostete mein kleines Zimmer inklusive Duschzelle (der Duschkopf befand sich über der Toilette) 750 € im Monat. Wohingegen ich in Shanghai für 350 € ein dreimal so großes Zimmer in Fußnähe zum Finanzzentrum hatte. Das hohe Preisniveau spiegelt sich in eigentlich allem wieder, außer beim U-Bahn- und Taxifahren.
Wer sich komplett auf das chinesische Essen einlässt, kann ebenfalls günstig essen gehen. Will man jedoch seine deutschen Gewohnheiten nicht aufgeben, kann man im internationalen Supermarkt einen Liter Milch für 2 €, ein kleines Stück Gouda für 8 € (und von Joghurt möchte ich gar nicht erst sprechen) kaufen. Die Preise ergeben sich aus der Tatsache, dass die Chinesen kaum Milchprodukte essen und daher alles z.B. aus den USA oder Neuseeland importiert werden muss. Da ich mich mit Reis oder Nudeln zum Frühstück nicht anfreunden konnte, habe ich genau wie in Shanghai, einen deutschen Bäcker ausfindig gemacht, wo man leckeres Vollkornbrot kaufen kann. Aber genug zum Essen…
Best of Hongkong – die Top 3
Was mich am allermeisten an Hongkong fasziniert hat und was ich überhaupt nicht erwartet hatte, ist die unglaublich vielfältige Natur in direkter Stadtumgebung. Nach nur einer halben Stunde U-Bahn-Fahrt kann man Strände und Berge (bis 900 m immerhin) zum Wandern, Schwimmen und Radfahren finden. Das ist wunderschön zur Erholung am Wochenende, wenn man genug von der lauten und engen Stadt hat. Die Briten haben schon früh begonnen, gute Wanderwege anzulegen und die unzähligen Strände zu erschließen sowie Naturschutzgebiete anzulegen. Auf Platz 2 meiner Lieblingsdinge in Hongkong kommt ganz klar die einmalige Skyline, die von beiden Seiten der Meerenge einfach atemberaubend ist. Aufgrund der Dichte der Hochhäuser erscheint die Stadt abends wie ein bunter Lichterdschungel, den man von unzähligen Rooftop-Bars bewundern kann.
In Shanghai ist das Angebot von Ausflugszielen in die Natur eher bescheiden, da direkt angrenzend an diese riesige Stadt die nächste Millionenmetropole folgt (wie z.B. Nanjing). Der einzige grüne Rückzugsfleck in Shanghai ist meiner Meinung nach der Century Park, der sehr stark dem Central Park in New York ähnelt und ebenso groß ist. Die Skyline von Shanghai sieht mit den vier einzigartigen Türmen (Jin Mao (421m), World Financial Centre (492m), Oriental Pearl Tower (468m) und dem neuen Shanghai Tower (632m) sehr viel futuristischer aus und spiegelt die schnelle Entwicklung dieser Stadt wider. Top 3 meiner Liste über Hongkong sind auf jeden Fall die „Westlichkeit“ und die guten Englischkenntnisse der Bevölkerung, die es einem ermöglichen, sich ohne Probleme durch die Stadt zu bewegen. In Shanghai trifft man nur sehr selten jemanden, der Englisch spricht und einem weiterhelfen möchte. Daher war es unumgänglich, alle Adressen des täglichen Lebens als chinesische Schriftzeichen für den Taxifahrer dabei zu haben.
Auch alle für uns sehr ungewöhnlichen Angewohnheiten, wie öffentliches Spucken, Rülpsen oder mit dem langen Fingernagel im Ohr pulen, findet man in Hongkong wesentlich seltener. Und wenn neben einem doch mal jemand im Restaurant lauthals rülpst, ist es bestimmt ein Festlandchinese gewesen. Ein weiteres deutliches Plus für Hongkong ist die noch nicht so extreme Smog-Belastung. Es gab sehr viele Tage an denen man einen blauen Himmel sehen konnte. In Shanghai waren es ca. vier Tage innerhalb von drei Monaten.
Das Fazit – lebenswertes Honkong, spannendes Shanghai
Das wirkliche Leben des normalen Chinesen wird man wohl in beiden Städten nicht kennenlernen können, aber in Shanghai ist man doch wesentlich näher dran. In Hongkong ist es als Ausländer ohne Chinesischkenntnisse einfacher, aber auch viel teurer. Mein Fazit ist daher: Leben kann ich mir am ehesten in Hongkong vorstellen, aber Shanghai ist wegen der rasanten Entwicklung definitiv die spannendere Stadt.
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