Von ICC-Redakteur Thomas Schneider
Vor kurzem wurde Lenovo in der vom ICC-Portal und seinen Medienpartnern durchgeführten Umfrage „Beliebteste chinesische Marke in Deutschland 2015“ auf die Spitzenposition gewählt. Mit 18,9 Prozent der Stimmen konnte sich der Technologie-Konzern gegen die namhafte Konkurrenz deutlich durchsetzen. Woher aber kommt die vor einigen Jahren noch weitestgehend unbekannte Marke und welche Strategie verfolgt der chinesische Konzern?
Lenovo war nicht immer Lenovo
Im Jahr 1984 gründete Liu Chuanzhi mit Unterstützung der in Peking ansässigen Akademie der Wissenschaften und einem Startkapital von umgerechnet etwa 25.000 US-Dollar die „New Technology Developer Inc.“ als Vorläufer der Legend Group, die im Jahr 1988 in Hongkong ins Leben gerufen wurde. Unter dem Markennamen „Legend“ wurde 1990 der erste eigene Computer auf den Markt gebracht, nachdem das Unternehmen zuvor lediglich importierte PCs gehandelt hatte. Schon 1996 erreichte Legend in der VR China den größten Marktanteil in der Branche. 2000 wurde die Legend-Aktie in den Hang Seng Index (der führende Aktien-Index an der Börse Hongkong aufgenommen.
Erst im Jahr 2003 wurde als Vorbereitung zur Expansion auf ausländische Märkte der Markenname geändert: Aus Legend wurde Lenovo. Nur ein Jahr später kündigten Lenovo und der US-amerikanische IT-Konzern IBM Pläne zur Übernahme der IBM Personal Computing Division durch Lenovo an. 2005 erfolgte die Übernahme die Lenovo schlagartig zum drittgrößten Computerhersteller weltweit macht. Im Jahr darauf brachte Lenovo die ersten Produkte auch außerhalb Chinas auf den Markt. In den Jahren 2010 ,2011 und 2012 kam es noch zur Übernahme von Stoneware, einer Softwarefirma, und dem brasilianischen Konzern CCE sowie zu Joint-Ventures mit den Unternehmen NEC und EMC. Die jüngsten Übernahmen erfolgten 2014 als von Google der Smartphone-Hersteller Motorola übernommen wurde sowie von IBM die Server Division. Heute hat Lenovo mit 19,7 % noch vor HP (17,4 %) den größten Marktanteil am weltweiten Computer-Absatz.
Lenovo auf dem Weltmarkt: das Beste aus zwei Welten
Die Technologie-Branche ist durch harten Wettbewerb und sich ständig veränderte Rahmenbedingungen geprägt. Durch stetigen technologischen Fortschritt ist es schwer, Vorteile dauerhaft zu erhalten und auf neue Bedrohungen angemessen zu reagieren. Im Gegensatz zu weltbekannten Marken wie HP oder Dell konnte Lenovo in jüngerer Vergangenheit positives Wachstum erzielen und an den Konkurrenten vorbeiziehen.
Lenovo hat folglich vieles richtig gemacht. Grundlegend waren die frühe Ausrichtung auf Expansion und die internationale Stärkung der Marke sowie die Abkehr vom rein „chinesischen Weg“. Das zeigt sich bereits bei Betrachtung des Firmensitz: Neben dem in Peking existiert ein weiterer in Morrisville, North Carolina. Bei der strategischen Ausrichtung kombiniert man die chinesische, eher langfristig geprägte Denkweise mit der westlichen, mehr an nah- und mittelfristigen Periodenzielen ausgerichteten Orientierung. Von der unter der chinesischen Konkurrenz aus dem Technologie-Sektor sonst weit verbreiteten Ausrichtung an Kostenführerschaft und somit möglichst günstigen Produkten wendete man sich bei Lenovo schon früh ab und setzte auf Innovationen und wertige Produkte. Auch die Schaffung des Markennamens Lenovo für die Expansion ist ein verglichen mit anderen chinesischen Unternehmen Alleinstellungsmerkmal. Xiaomi oder Huawei haben einen für das Ohr eines europäischen oder amerikanischen Konsumenten deutlich geringeren Wiedererkennungswert und sind nicht ideal an die Internationalisierung auf ausländische Märkte angepasst. Zusätzlich schafft die Börsennotierung in Hongkong eine Transparenz, die bei chinesischen Unternehmen sonst eher selten vorzufinden ist.
Durch die Akquisition von bereits erfolgreichen und bekannten Marken wie IBM oder jüngst Motorola konnte der chinesische Konzern wichtiges Know-how, Technologie sowie qualifiziertes Humankapital einkaufen und für Wachstum sorgen. Gleichzeitig kann Lenovo auf diese Weise das Risiko des Eintritts in neue Sparten und Märkte minimieren und vom Markenimage des übernommenen Unternehmens auf den neuen Märkten profitieren. Erklärtes Ziel ist es so beispielsweise, neben der bereits sehr Erfolgreichen Computer-Sparte nun auch in der Smartphone-Sektion Weltmarktführer zu werden. Während auf dem Heimatmarkt in China vornehmlich Smartphones unter dem eigenen Markennamen vertrieben werden, setzt man auf den westlichen Märkten auf die etablierte Marke Motorola und minimiert so das Risiko eines Scheiterns.
Protect & Attack: Lenovos große Ziele
Seit etwa sechs Jahren verfolgt Lenovo die unter CEO Yang Yuanqing ausgegebene Strategie „Protect & Attack“. Diese ist dabei so simpel wie sie klingt: Die bedeutendsten Geschäftsfelder schützen und in Wachstumsbereichen außerhalb der Kernsparte Computer weiter attackieren. Von großer Bedeutung ist nach wie vor der chinesische Markt, da trotz aggressiver Expansion und Standorten in einer Vielzahl an Ländern bislang nur die wenigsten davon tatsächlich profitabel sind. So soll vor allem die starke Position auf dem heimischen Markt sowie die Weltmarktführerschaft im traditionellen Computer-Bereich gegen die Konkurrenz verteidigt werden. Gleichzeitig sollen weiter Länder und Sparten attackiert werden die künftig hohes Wachstum versprechen und das Portfolio diversifiziert werden. Erklärtes Ziel ist es, beim Eintritt in neue Märkte schnell einen zweistelligen Marktanteil zu erreichen, erst danach wird der Fokus auf Profit gelegt. Vor allem die Smartphone-Sparte ist hier für Lenovo von großem Interesse, aber auch der B2B-Bereich (Business-to-Business) sowie die „digital home“-Sparte (beispielsweise private Cloud-Speicher) soll ausgebaut werden. Unter diesem Vorhaben erfolgte die Akquisition der IBM Server Division im Jahr 2014.
Es wird weiter spannend zu beobachten sein, wie sich Lenovo zukünftig entwickelt. Die Computer-Branche ist generell rückläufig, daher wird es entscheidend sein, dass der Vorstoß in neue Sparten gelingt. Doch in der zum Hauptziel erklärten Smartphone-Branche wartet mit Apple und Samsung eine härtere Konkurrenz als es die zuletzt strauchelnden Computer-Hersteller Dell oder HP waren.
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