Von Dr. Rainer Lisowski und Marian Duram, Hochschule Osnabrück. Teil 2 der Osnabrücker Chinareihe auf dem ICC-Portal.
Die Bedeutung Chinas nimmt in Deutschland auch auf kommunaler Ebene deutlich zu. Offen ist die Frage, wie Kommunen damit umgehen sollten. Zunächst einmal muss allen Verantwortlichen eines klar sein: Nichts geht von heute auf morgen.
Selbst Kommunen, die sich seit langem in der Zusammenarbeit mit China engagieren stellen immer wieder fest: Es wird ein langer Atem benötigt. Aktionismus ist selten angebracht. Bislang sind es vor allem die größeren Städte, die Erfahrungen mit China gesammelt haben.
Haben kleinere Städte überhaupt eine Chance, in China Gehör zu finden und damit auch chinesische Investoren für sich zu interessieren?
Ja – und es gibt gute Beispiele. Etwa die Stadt Oldenburg (Oldb.). Mit 160.000 Einwohnern in der Größe recht überschaubar, hat die niedersächsische Stadt in den vergangenen fünf Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, sich in China bekannt zu machen. Mit Erfolg – im Oktober dieses Jahres steht dem Oldenburger Oberbürgermeister die Ehre an, Ehrenbürger der Stadt Xi’an zu werden. Bisher sind nur wenige Deutsche mit einer chinesischen Ehrenbürgerschaft ausgezeichnet worden.
In der Regel lohnt es sich auch für mittelgroße und kleinere Städte, zunächst die wirtschaftsbezogenen Qualitäten der Kommune in den Vordergrund ihrer Präsentation zu stellen. Auch jenseits der Metropolen finden sich oft High-Tech-Cluster, die in China auch bei einer zehnmal so großen Stadt auf Interesse stoßen. Ein wunderschönes Beispiel: Die 6.000 Einwohner-Stadt Lathen im Emsland hat mit der Millionenstadt Baoji eine Partnerschaft abgeschlossen.
Was können deutsche Städte tun, um sich in China bekannter zu machen?
Zu den „Instrumenten“ sollte man zunächst die traditionellen Städtepartnerschaften oder auch mancherorts so genannte strategische Partnerschaften (Partnerschaften ohne offiziellen Ratsbeschluss) fassen. In dem erwähnten Oldenburger Beispiel wurden diese mit sechs chinesischen Kommunen abgeschlossen. Ein besonderes Highlight ist darunter: trilaterale Abkommen zwischen Oldenburg, seiner niederländischen Schwesterstadt Groningen und den chinesischen Städten Tianjin und Xi’an.
Diese Partnerschaften wirken wie Plattformen, die dann mit Leben gefüllt werden. Darunter ist zunächst der Austausch von Delegationen zu sehen. Im Business wie in der Verwaltung läuft in China nichts ohne persönlichen Kontakt und Beziehungen. Eine gute Zusammenarbeit zu schaffen bedeutet daher sich möglichst oft zu sehen. Das heißt im Klartext: Die Kommune muss bereit sein, sowohl Delegationen aus China zu empfangen, als auch selbst – prominent besetzt, Bürgermeister ist Pflicht – nach China zu fahren.
Als drittes Set von Instrumenten bieten Messen, Tagungen oder ähnliche Veranstaltungen in China für Vertreter der Verwaltung die Möglichkeit gemeinsam mit Partnern der Wirtschaft Standortwerbung zu betreiben.
Bildung einer China-Initiative ist die größte Herausforderung
Im Bereich des operativen Geschäfts ist die Bildung einer China-Initiative in der Verwaltungsstruktur oder zumindest die Einrichtung einer Stelle, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „China“ befasst, die größte Herausforderung. Im Optimalfall dient sie in Form einer „One-Stop-Agency“ als zentrale Anlaufstelle für chinesische Unternehmen.
Das alles klingt stark nach Geld ausgeben – und ist so auch von uns gemeint. Ohne Investitionen in die Pflege solcher Kontakte geht es nicht. Das führt zu der Frage: Was denkt der Steuerzahler über China? In erster Linie herrscht Skepsis bei den Deutschen gegenüber China. Aus Umfragen von Allensbach und Pew Global Attitudes ist bekannt, dass etwa 60% der gesamtdeutschen Bevölkerung China negativ bis sehr negativ einschätzt. Auch in der Öffentlichkeit werden kommunale China-Initiativen daher zunächst mit einem kritischen Auge betrachtet.
Neben die Skepsis tritt vielfach – das wissen wir aus unseren Befragungen – Unwissenheit über das alltägliche Leben in China. Für die Kommunen mit China-Ambitionen gibt es entsprechend auch zuhause einiges zu tun. Zu einer China-Initiative gehört es, mit der Bevölkerung in einen Dialog zu treten. Dabei geht es auch um Aufklärung und Sensibilisierung. Wir meinen dies nicht lehrmeisterlich im Sinne einer seine Bürger erziehenden Verwaltung. Aber uns fällt doch immer wieder auf, wie wenig über die moderne chinesische Geschichte und die Sozialstruktur der Gegenwart Chinas bekannt ist. So halten sich bei unseren Bürgern hartnäckige Vorstellungen, die Chinesen werden wie in einem totalitären Staat stalinistischer Prägung überwacht. Aber genau so ist das heutige China eben nicht.
Expansionswille chinesischer Unternehmen bedeutet Chance für die Kommunen
Je skeptischer die Bevölkerung ist, desto wichtiger ist es die Kommunalpolitik „mitzunehmen“. Zum einen darüber zu informieren, welche Chancen der Expansionswille der chinesischen Unternehmen für die Kommunen bedeutet und zum anderen die Ratsherren und -frauen in die Handlungen der Verwaltung mit einzubinden. Ein Zusammenarbeiten zwischen Verwaltung und Politik ist für den Aufbau einer gut funktionierenden China-Förderung unabdingbar.
Nicht selten scheint das Thema „Kultur“ dafür geeigneter als die Wirtschaft. Als beispielhaft für ein solches Engagement angesehen werden kann die Beteiligung einiger Kommunen an der bundesweiten Initiative „ChinNAH“, welche im China-Kulturjahr 2012 stattfand. „Wichtigstes Ziel wäre der Abbau von Vorurteilen bei der deutschen Bevölkerung und die Etablierung eines realistischen China-Bildes“, so der China-Verantwortliche einer der zehn größten deutschen Städte.
Abschließend ist somit zu sagen, dass sich Städte auf dem Weg ihrer Chinaorientierung zunächst einigen Herausforderungen stellen müssen. Wer dazu aber bereit ist und Ausdauer beweist, hat gute Chancen vom Potenzial Chinas zu profitieren. Nur langfristig angelegte und kontinuierlich vorangetriebene Bemühungen versprechen Erfolge.
Fazit: Wirtschaftliche Vorteile und nichtwirtschaftliche Chancen
Es besteht kein Zweifel daran, dass chinesische Direktinvestitionen in Deutschland in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen werden. Für deutsche Städte bedeutet diese Entwicklung nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch nichtwirtschaftliche Chancen.
Eine kompetente und zielorientierte Wirtschaftsförderung kann die Ansiedlung chinesischer Investoren ermöglichen oder zumindest positiv beeinflussen.
Weiterführende Informationen zu unserer Forschung und zu dieser Publikation finden Sie unter: http://www.hs-osnabrueck.de/43112.html
Investoren aus Fernost haben in Deutschland einen schlechten Ruf. Doch für viele Firmen ist eine Übernahme durch Chinesen die Rettung: Die chinesischen Investoren erhalten Jobs und schaffen neue. Auch für deutsche Unternehmen bieten die wachsenden Märkte in China großartige Möglichkeiten. Aber wie ist es um die China-Initiativen deutscher Städte überhaupt bestellt? Dr. Rainer Lisowski und Marian Duram von der Hochschule Osnabrück haben die 50 größten deutschen Städte auf ihre China-Readiness untersucht. Neben ihren Lehr- und Forschungstätigkeiten arbeiten beide zusätzlich im Hochschulzentrum China (HZC) der Hochschule Osnabrück.
Hier geht es zurück zum ersten Teil der Osnabrücker Chinareihe.
Zu empfehlende Literatur:
Duram, Marian (2012) Chinesische Unternehmen betreten den deutschen Markt – Eine Herausforderung für kommunale Wirtschaftsförderungen, Osnabrück (noch nicht veröffentlicht, Auszüge unter: http://www.hs-osnabrueck.de/43112.html)
Ernst & Young (2012) Deutschland und Europa im Urteil chinesischer Investoren, Ernst & Young GmbH, Stuttgart
Florida, Richard und Tinagli, Irene (2006) Technologie, Talente, Toleranz In: Perspektive 21, Heft 31/2006, Potsdam
Jungbluth, Cora (2013) Aufbruch nach Westen – Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland, Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
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