Von Dr. Rainer Lisowski und Marian Duram, Hochschule Osnabrück. Teil 1 der Osnabrücker Chinareihe auf dem ICC-Portal.
Zwischen der deutschen Hauptstadt Berlin und ihrem chinesischen Pendant Beijing liegen mehr als 7.000 Kilometer Wegstrecke. Doch ist China wirklich so weit entfernt von uns? Mit dieser Frage sehen sich in den letzten Jahren insbesondere immer mehr deutsche Städte konfrontiert.
Der Grund ist leicht zu erklären: Chinesische Direktinvestitionen nehmen in
Deutschland kontinuierlich zu. Im Jahr 2012 investierten chinesische Firmen ca. 626 Millionen US-Dollar (dies bedeutet einen Zuwachs von etwa 22 Prozent zum Vorjahr) in den Standort Deutschland.
Deutschland Nr. 1 für chinesische Investitionen in Europa
In Europa nimmt Deutschland in Hinblick auf chinesische Investitionen den ersten Platz ein und bei vielen chinesischen Unternehmen zählt Deutschland sogar zu den drei beliebtesten Investitionszielen weltweit. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinerlei Hinweise, dass sich diese Entwicklung ändern wird.
Dieser Prozess geht selbstverständlich auch nicht an den einzelnen deutschen
Städten vorbei. Kommunale Wirtschaftsförderungen dienen oftmals als erster
Ansprechpartner für chinesische Investoren. Für die Stadt bedeutet ein ernsthaftes Befassen mit dem Thema China auf der einen Seite einen zusätzlichen Aufwand, doch auf der andern Seite bietet es auch enorme Chancen für die städtische Entwicklung. Es gibt viele Gründe, warum deutsche Städte sich dieser Entwicklung stellen sollten.
Zusammenarbeit mit Chinesen belebt deutsche Stadtkultur
Dabei beschränken sich die Vorteile nicht nur auf den stets zuerst genannten
wirtschaftlichen Nutzen, wie z.B. Steuereinnahmen oder Arbeitsplatzsicherung. Vielmehr können mit einer Ansiedlung chinesischer Firmen auch Chancen nichtwirtschaftlicher Art einhergehen. Die Zusammenarbeit zwischen deutschen und chinesischen Kommunen kann sich belebend auf die Stadtkultur auswirken.
Den meisten Deutschen ist bekannt, dass das Reich der Mitte eine Nation mit 5.000 Jahren Geschichte ist. Kulturaustausch muss aber keineswegs immer an der Vergangenheit oder an Größe orientiert sein. Chinas Gegenwartskultur bietet reichhaltige Ansatzpunkte für den Kulturaustausch auch im Kleinen. Nicht selten sind gerade wichtige Partner der Kulturämter vor Ort an einem Austausch mit dem zeitgenössischen China interessiert. Ein schönes Beispiel: der Bund Bildender Künstler in Oldenburg.
Kommunale China-Initiativen für Innovationen
Auch soziologisch betrachtet können sich gute Kontakte in den völlig anderen
Kulturraum Asiens positiv auf das Klima in einer Stadt auswirken. Die Thesen des amerikanischen Städteforschers Richard Florida haben mittlerweile einen Allgemeingutcharakter erlang. Floridas Kerngedanke ist rasch umrissen: Treiber des wirtschaftlichen Wachstums einer Stadt sind diejenigen, die er die „creative class“ nennt. Grob gesagt Menschen, die Innovationen schaffen. Florida will nun herausgefunden haben, dass diese Menschen von einem toleranten, kulturell spannenden Umfeld in Städte gezogen werden. Nimmt man dies ernst, dann können solche kommunalen China-Initiativen nur positiv bewertet werden. Möglicherweise stärkt dies sogar die Stellung von Städten im Wettbewerb untereinander.
Es lässt sich ein deutlicher Trend in puncto Chinaorientierung erkennen: China wird in Kommunen immer bewusster wahr- und ernstgenommen. Die Anzahl der deutsch-chinesischen Städtepartnerschaften steigt seit ein paar Jahren deutlich an. Nach Angaben des Deutschen Städtetages existieren aktuell 69 Beziehungen zwischen deutschen und chinesischen Städten. Auch finden immer mehr Delegationsreisen zu ganz unterschiedlichen Themen zwischen beiden Ländern statt.
Größte Städte in Deutschland befassen sich intensiv mit China
Die wohl zentralsten Beobachtungen zur kommunalen Annährung wurden in einer an der Hochschule Osnabrück durchgeführten Studie deutlich. Hiernach gaben 81% der an einer Umfrage unter den 50 größten Städten Deutschlands teilgenommenen Städte an, sich intensiv mit dem Thema „China“ zu befassen. 54% der Teilnehmer beschäftigen eine Person, die schwerpunktmäßig zu dieser Thematik arbeitet. Zusätzlich weisen 16 der 50 größten deutschen Städte mittlerweile eine „China-Abteilungen“ auf, deren Hauptaufgabe in erster Linie darin besteht, chinesische Direktinvestition anzuwerben und zu betreuen.
Deutsche Städte erkennen das Potenzial Chinas. Auf den zweiten Blick ist China dann doch gar nicht mehr so weit entfernt. Die Bereitschaft der Kommunen, sich dem Thema China zu stellen, liegt vor. Doch was sollten sie tun, um dabei erfolgreich zu sein?
K. Becker meint
Meine Heimatstadt – ich nenne keine Namen – ist nicht klein. Trotzdem gibt es noch nicht einmal Schilder auf Englisch! Ich glaube, viele Städte sollte sich nicht nur „intensiv mit China befassen“, sondern richtig Gas in Richtung Internationalisierung geben. Schön, dass die Welt unsere Produkte kauft. Schöner, wenn wir auch vor Ort attraktiver werden könnten!