Viele Eigenheiten im Reich der Mitte lassen sich am besten mit Bildern darstellen. Das Buch China 151 aus dem Conbook Verlag lädt auf eine spannende Entdeckungsreise ein, die von den Chinaexperten Françoise Hauser und Volker Häring begleitet wird. Die ICC-Redaktion veröffentlicht einen bebilderten Auszug und rezensiert das Buch für alle ICC-Leser.
Mehr als Fast Food (35 Garküchen)
»Das Schönste in Tokio ist McDonald’s. Das Schönste in Stockholm ist McDonald’s. Das Schönste in Florenz ist McDonald’s. Peking und Moskau haben noch nichts Schönes.« (Andy Warhol) Geht es nach Warhol, dann hat sich Peking in den Jahren seit dem obigen Zitat deutlich verschönert. Mehr als hundert McDonald’s-Filialen gibt es in Chinas Hauptstadt inzwischen. Geht man jedoch aufs Land oder selbst in Millionenstädte wie Lanzhou oder Xining im Nordwesten Chinas, so wird man vergeblich nach Big Mac und Ronny McDonald suchen. Der Erfolg der Fast-Food-Kette im Osten des Landes hat viel mit der dort gerne adaptierten westlichen Lebensweise zu tun. Doch eigentlich hat das Land, wenn es darum geht, schnell und vor allem günstig und gut zu essen, etwas viel Besseres zu bieten: Garküchen. Nudelsuppen, Maultaschen, Fleischspieße oder Fladenbrot. Reichhaltige Suppen in Tontöpfen. Sogar Pekingenten. All das kann man im Restaurant, oft aber auch genauso gut in der Garküche essen. Eigentlich alles, was die chinesische Küche hergibt. Sicherlich: Zum offiziellen Geschäftsessen wird man in China nie in eine Garküche gehen. Hier muss man dem Gast schon ein wenig Luxus, Service und Design bieten. Ist das Eis jedoch erst einmal gebrochen, so führen chinesische Freunde den ausländischen Gast dann doch dahin, wo es am besten schmeckt. Eben in die Lieblingsgarküche. Oder besser noch auf den Nachtmarkt. Hier kann man sich an einer Garküche oder an einem Grillstand niederlassen und nach Herzenslust die leckersten Dinge von all den verschiedenen Ständen zusammentragen. Komfort darf man natürlich nicht erwarten. Meist sitzt man auf kleinen Metallhockern vor leidlich sauberen Holztischen und isst von Tellern, die man besser noch einmal feucht abwischt. Duftschwaden wehen vom Grill herüber und gerne lässt sich der Koch oder die Köchin über die Schultern schauen. Alles wird frisch zubereitet, aus der Konserve kommt hier nichts! Ob jemand in einer Garküche isst, hat übrigens nichts damit zu tun, ob er arm oder reich ist. Sondern einfach nur mit Geschmack!
Die mit den Fäusten kämpfen (117 Taiji)
Frühmorgens geht es in China zur Sache: Überall im Land stehen die Menschen auf den Straßen und in Parks, um schweigend »den Tiger zu umarmen«, »Berge zu schieben«, »den Bogen zu spannen, um den Tiger zu erschießen« und »die Mähne des Wildpferds zu teilen«. Gefahren birgt der Tigerkontakt nicht: Hinter den illustren Begriffen verbergen sich nichts anderes als die Bewegungsabläufe des Taijiquan, im Westen oft auch unter der Umschrift Tai Chi bekannt – oder als Schattenboxen. Wie die martialischen Begriffe schon andeuten, ist das Taiji im Grunde eine Kampfsportart: Die Verwandtschaft mit dem Kung-Fu ist offensichtlich. Ums Kämpfen geht es hier trotzdem schon lange nicht mehr. Die hohe Kunst des Taiji ist es, die fließenden Bewegungen langsam und perfekt auszuführen. Konzentration, Meditation und Körperbeherrschung spielen daher eine weitaus größere Rolle als bloße Muskelkraft. Die braucht man allerdings auch, denn Taiji ist anstrengender, als es aussieht. Die vermeintliche Mühelosigkeit, die fließenden Bewegungen sind das Ergebnis jahrelanger Übung. Als gesundheitsfördernde Übung ist Taiji wahrscheinlich schon seit dem 17. Jahrhundert Teil der chinesischen Kultur, über den genauen Ursprung gibt es jedoch keine gesicherten Erkenntnisse. Egal ob auf der Shanghaier Bund-Promenade oder im Park nebenan, Mitsportler sind willkommen. Wer es selbst ausprobieren möchte, muss nur eines können: Früh aufstehen, denn nach sieben Uhr sind die Schattenboxer garantiert wieder verschwunden. Dass vor allem Senioren im typischen schlabbrigen Taiji-Anzug vertreten sind, hat einen simplen Grund: Alle anderen haben einfach keine Zeit und sind schon längst auf dem Weg zur Arbeit.
Einer geht noch (132 Transport)
Zwanzig Stühle auf einem Fahrrad? Kein Problem, zumindest in China. Übervolle und aufregend wackelige Transportkonstruktionen sind des Touristen liebstes Fotomotiv. Chinesen sehen es gelassen: Das ging doch bisher auch immer gut … Die meisten rollenden Wunderwerke entstehen aus der interessanten Kombination aus mangelndem TÜV, zu wenig modernen Transportmöglichkeiten und einem gewissen Sportsgeist: Wäre doch gelacht, wenn man nicht doch noch ein riesiges Bündel Altpapier auf das bereits überladene Gefährt packen könnte! Natürlich sind es immer die alten, rostigen Räder oder Lieferwagen, die mit physisch schier unmöglicher Beladung auffallen. Logisch, denn all jene, die sich ein modernes Gefährt leisten können, verfügen auch über die Logistik, ihre Waren schnell und effizient zu transportieren. Leider beschränkt sich der sportliche Ansatz nicht nur auf den Warentransport. Was bei zehn Kubikmetern Rattanmöbeln oder Papierschachteln noch irgendwie lustig aussieht und im schlimmsten Fall eine Kreuzung mit verlorener Ladung blockiert, wird im Personenverkehr schnell zur Katastrophe. Überfüllte Schulbusse sind beispielsweise keine Seltenheit. Einige spektakuläre Unfälle der letzten Jahre brachten Zustände zutage, die selbst hartgesottene Anhänger der Wird-schon-gut-gehen-Theorie schlucken ließen. Als im November 2011 ein Kindergartenbus in der Provinz Gansu verunglückte, zählte die fassungslose Polizei 62 Kinder in einem für neun Passagiere ausgelegten Auto. Für 20 von ihnen kam jede Hilfe zu spät.
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