In China ist alles anders, heißt es. Geschäfte kann keiner ohne die richtigen Beziehungen abschließen, Kontakte sind das Wichtigste, sagen einige. Guanxi kommt häufig als Schlagwort, wenn die Besonderheiten der chinesischen Geschäftswelt vorgestellt werden. Wie aber äußert sich dieses Phänomen konkret?
Wie in einem früheren ICC-Artikel vorgestellt, sind gute Verbindungen, auf Chinesisch guanxi 关系, tatsächlich sehr hilfreich für geschäftliche Aktivitäten in China. Dabei handelt es sich jedoch weder um einen schlichten Tauschhandel noch um eindeutige Korruption. Guanxi basieren in der Regel auf Gemeinsamkeiten wie einem gleichen Heimatort, auf familiären sowie langjährigen freundschaftlichen oder kollegialen Kontakten. Dass guanxi keinesfalls Chinesen vorbehalten ist, erfuhr ein deutscher Geschäftsmann auf der Hotelsuche in Peking.
Guanxi in China – Fallbeispiel 1: Rabatt über den Obsthändler
Als dieser Deutsche vor wenigen Jahren geschäftlich nach Peking reiste, wollte er wie üblich in seinem Lieblingshotel wohnen. Damals musste man noch nicht vorab ein Zimmer buchen, um ein Visum für die Einreise zu erhalten. Der Handelsreisende fuhr wie üblich vom Flughafen zum Hotel in einem Pekinger Business-Viertel. In der Lobby stellte er fest, dass die Zimmerpreise innerhalb kurzer Zeit deutlich gestiegen waren, sodass er nicht bereit war, so viel mehr für das Zimmer auszugeben. Vor dem Hotel fragte der chinesischkundige Deutsche daher einen Obsthändler nach einem günstigen Hotel in der Nähe.
Der freundliche Verkäufer fing gerade an, den Weg zu erklären, als sich eine andere Kundin mit Äpfeln in der Hand einschaltete. Sie fragte, warum er nicht gleich in das Hotel gegenüber gehen wolle. Der Geschäftsmann erklärte ihr die Situation. Sie zückte eine Visitenkarte und fragte den Obsthändler, ob sie kurz sein Telefon benutzen dürfe. Das durfte sie und nach zwei, drei Sätzen, schrieb sie einen Namen auf die Visitenkarte und gab diese dem verdutzten Deutschen. Darauf stehe der Name eines Managers aus dem Hotel. Der sei zwar heute nicht da, aber die Dame an der Rezeption wisse Bescheid: Mit der Karte würden ihm 20 Prozent Rabatt gewährt. Der Geschäftsmann aus Deutschland bedankte sich herzlich, ging ins Hotel und bekam sein Zimmer noch etwas günstiger als bei seinem letzten Besuch.
Guanxi in China – Fallbeispiel 2: Loyalität eines Einkäufers
Ein deutscher Maschinenbauer ließ sich einige Jahre erfolgreich aus China mit günstigen Einzelteilen beliefern. Sein chinesischer Einkäufer zeichnete sich dabei durch beste Geschäfte aus. Als es mehrere Monate lang Probleme mit zwei Lieferanten gab, bat man den Einkäufer, dies rasch zu regeln. Es kam aber weiterhin zu Verspätungen, sodass erneut das Gespräch mit dem Einkäufer gesucht wurde. Der schien jedoch nicht gewillt, die Zusammenarbeit mit den nachlässigen Lieferanten zu beenden. Die deutsche Geschäftsleitung entschied sich nach einigem hin und her, dem Einkäufer ein Ultimatum zu setzen. Dieser reichte zur großen Überraschung seines Arbeitgebers die Kündigung ein. Nicht nur das: Auch mehrere Lieferanten aus China erklärten, die Kooperation nicht weiterführen zu wollen.
Wenig später stellte sich heraus, dass der chinesische Mitarbeiter über besonders gute Beziehungen zu den besagten Lieferanten verfügt hatte. Diese konnte oder wollte er nicht aufs Spiel setzen. Gleichsam war es ihm offenbar so unangenehm, die Situation aufzuklären, dass er die Kündigung bevorzugte. Beim deutschen Maschinenbauer kam es in den Folgemonaten zu unangenehmen Engpässen, bis man endlich gleichwertigen Ersatz für den Einkäufer und die Lieferanten gefunden hatte.
Guanxi oder nicht? Licht und Schatten der Vernetzung
Diese beiden Fallbeispiele zeigen, welche Vor- und Nachteile mit guanxi einhergehen. Wer es beherrscht, gut mit guanxi umzugehen, kann schneller und günstiger an sein Ziel kommen. Doch haben diese Beziehungen auch Schattenseiten, wo übertriebene Verbindlichkeiten entstehen oder sich Schnittmengen mit Vetternwirtschaft ergeben.
Halten Sie das Konzept von guanxi für chinaspezifisch oder gibt es in anderen Ländern ähnliche Phänomene? Wir freuen uns über einen Kommentar von Ihnen! Nehmen Sie bei Fragen zu diesem Thema gerne Kontakt mit uns auf.
k.meyer meint
ich habe in den usa, japan und china gearbeitet – und natürlich in deutschland, wo ich sozialisiert wurde. nirgends war das phänomen der zweckbeziehungen so prägnant wie in china. interessant war es auch, wie gespalten die haltung der menschen dazu ist. auch solche, die davon profitieren, haben sich mir gegenüber kritisch dazu geäußert. ich halte guanxi für eine spätfolge der sozialistischen gehversuche der regierung. sicherlich gibt es auch frühformen im kaiserreich.
XXX meint
Fallbeispiel 2 ist in meiner alten Firma fast 1zu1 so passiert! diese Neztwerke werden oft von deutschen unterschätzt. Ich weiß nicht wie man damit umgehen kann.