Von Dr. Rainer Lisowski und Marian Duram, Hochschule Osnabrück. Teil 2 der Osnabrücker Chinareihe auf dem ICC-Portal.
Zehn, sieben, zwanzig. Was hier zu Lande nach dem Anfang der Lottoziehung klingt, hat in China eine ganz andere Bedeutung. Bei dieser Zahlenfolge handelt es sich um die Ausgangslage der chinesischen Landwirtschaft.
Zehn Prozent der Fläche Chinas sind landwirtschaftlich nutzbar. Dies ist gleichbedeutend mit sieben Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Fläche. Hiervon müssen aber zwanzig Prozent der gesamten Weltbevölkerung ernährt werden. Die Herausforderung für Chinas Landwirtschaft ist klar ersichtlich, zumal andere Umstände zur Erschwerung beitragen.
Doch zunächst scheint die Lage unproblematisch. China ist theoretisch in der Lage fast autonom sein Milliardenvolk mit landwirtschaftlichen Produkten zu versorgen und dabei sogar noch einen Überschuss für den Export zu produzieren.
Wie bereits angedeutet existiert jedoch auch eine Kehrseite. Durch den wirtschaftlichen Aufstieg und der damit einhergehenden Urbanisierung, Verstädterung und Industrialisierung verliert der Sektor Landwirtschaft enorm an Arbeitskräften und es steht immer weniger Fläche zur Verfügung. Die chinesische Regierung strebt sogar eine Urbanisierungsquote von 85 Prozent an – aktuell liegt dieser Wert bei ca. 50 Prozent. Konsequenz: seit 1997 verringerte sich die nutzbare Agrarfläche um die Größe Österreichs.
Als Lösung dieser Herausforderung sieht die Staatsführung vor durch Hightech und neue Technologien die Flächenproduktion zu steigern und somit die Produktionszahlen hochzuhalten, um auch in Zukunft sich weitestgehend selber versorgen zu können.
Genau an dieser Stelle kommt die Landwirtschaft Nordwestniedersachsens ins Spiel. In kaum einer Region Deutschlands spielt der Faktor Landwirtschaft eine so große Rolle wie dort. Zugleich gibt es viele international tätige und renommierte landwirtschaftlich orientierte Unternehmen.
Deutsche Stärken in China
Chinas wirtschaftlicher Aufschwung ist eng gekoppelt an einen steigenden Energieverbrauch. Die chinesische Regierung reagiert darauf und möchte in Zukunft deutlich mehr auf erneuerbare Energien setzen.
Die Erzeugung von Bioenergie besonders mittels Biogasanlagen hat sich im Nordwesten Deutschlands bereits etabliert. Jedoch machen vor allem Flächendruck, kontroverse politische Diskussionen und steigende Pachtpreise das Errichten von Biogasanlagen in Deutschland immer schwieriger.
Der chinesische Markt bietet hingegen für Unternehmen aus diesem Segment große Chancen. Die Herstellung von Biogasanlagen durch deutsche Anbieter in China besitzt enormes Potenzial und stellt eine Möglichkeit dar, die Wertschöpfung auch zukünftig aufrecht zu erhalten.
China hat erkannt, dass nur Hightech und die neuste Landmaschinentechnik die Leistungsfähigkeit der chinesischen Landwirtschaft aufrechterhalten können. An dieser Stelle bietet sich für einige Firmen Nordwestdeutschlands enormes Potenzial. Schon jetzt steigt der Absatz von Landmaschinen von Deutschland nach China deutlich an. Im Jahr 2011 stieg der Absatz um 70 Prozent zum Vorjahr an. Die Nachfrage wird sich in Zukunft noch weiter verstärken.
Besonders hervorzuheben ist: Aktuell ist in China eine Veränderung der Gesellschaft zu beobachten. Dies wird tiefgreifende Konsequenzen für China und ganz Asien haben, deren Ausmaß noch nicht abzusehen ist. Zum ersten Mal entsteht eine Mittelschicht, die sich ernsthafte Gedanken über gesunde Nahrung macht. Gestärkt wird diese Entwicklung durch einige Lebensmittelskandale in China und führt gegenwärtig zu einem wahren Bio-Boom im Lande.
Der Agraranbau in China folgt bislang noch eher dem Leitspruch „Quantität statt Qualität“. Für deutsche Unternehmen ist genau dies eine große Chance. Deutschland steht in China für hervorragende Qualität. Ein Zertifizierungsverfahren nach deutschen Maßstäben für Biolebensmittel in China zu implementieren würde das Vertrauen in chinesische Bionahrung extrem stärken und zugleich Deutschlands Image weiter forcieren.
In diesem Zusammenhang wäre es zudem denkbar den Vertrieb von Agrartechnologie zur Produktionssteigerung im Biosegment auszubauen. In erster Linie geht es dabei um Know-how im Aufbereiten der oftmals nichts für Bioanbau geeigneten Böden.
Zu beachten ist jedoch, dass alle angedachten Wege den chinesischen Markt zu betreten einen Partner bedingen, so dass die Markteintrittsform eines Joint-Ventures sich anbieten würde. Natürlich ist dies auch abhängig von dem Investitionsvolumen und den Erfahrungen, die das jeweilige Unternehmen bereits im Betreten anderer Märkte gesammelt hat.
Es wird deutlich, dass eine engere Zusammenarbeit in der Landwirtschaft mit China enorme Investitions- Kooperations- und Absatzpotenziale bietet und sich ein chinaorientiertes Denken lohnen kann.
Die Bedeutung von öffentlichen Einrichtungen
Wie können öffentliche Einrichtungen diesen Prozess unterstützen? Bei allen Bemühungen deutscher Unternehmen den chinesischen Markt zu betreten ist es sehr wichtig öffentliche Institutionen auf deutscher, wie auch auf chinesischer zu beteiligen. Die Unterstützung durch die öffentliche Hand vereinfacht das Handeln und somit die Erfolgsaussichten der Unternehmen in China. Begründet ist dies in der Verfasstheit Chinas; dort spielt der Staatseinfluss eine bedeutende Rolle.
Für deutsche öffentliche und halböffentliche Einrichtungen, wie z.B. die Industrie- und Handelskammern oder Landwirtschaftskammern, wäre es sinnreich, ihre Dienstleistungen für ihre Unternehmen in Hinblick auf den Markteinritt in China zu bündeln, um die Firmen bestmöglich begleiten und fördern zu können, um somit möglichst hohe Erfolgsquoten aufweisen zu können.
Mehr Informationen zu diesem Thema unter:
http://www.hs-osnabrueck.de/43112.html
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