Heutzutage muss man Deutschland nicht unbedingt verlassen, um einen interessanten Beruf nach Abschluss des Sinologiestudiums o.Ä. zu finden. In der neuen Reihe “China Jobs in Deutschland” stellen wir Ihnen einige interessante Berufsperspektiven vor.
In diesem Bericht beschreibt Sinologie-Absolventin Sara Tsudome ihren beruflichen Werdegang nach Abschluss des Studiums. Welche Bedeutung hatte China für ihren Karrierestart? Wie hat sie bisher ihre Chinakenntnisse im Job eingesetzt? Hier der Erfahrungsbericht:
Heidelberg, Shandong und DELL
Mein Sinologie-Studium in Heidelberg und Shandong hat mir viel Spaß gemacht. Nach meinem Abschluß 1992 war mir aber klar, dass ich nicht an der Universität bleiben wollte. Nach dem Tiananmen-Zwischenfall waren damals die Beziehungen zu China noch sehr belastet, und auch sonst war die Lage für Geisteswissenschaftler nicht die beste.
Als ich über Freunde davon hörte, dass der Computerhersteller DELL auf der Suche nach Vertriebsmitarbeitern war, habe ich die Chance ergriffen und den Berufseinstieg in einem ganz anderen Bereich geschafft. Über die nächsten Jahre war ich in verschiedenen Positionen in Vertrieb und Marketing bei IT- und Telekommunikationsunternehmen beschäftigt.
Von DELL zu AFS Interkulturelle Begegnungen
Vor fast 10 Jahren stand mein damaliger Arbeitgeber kurz vor der Übernahme durch einen Finanzinvestor und es war absehbar, dass meine Abteilung umstrukturiert werden würde. Damals war ich bereits für AFS Interkulturelle Begegnungen ehrenamtlich aktiv, eine gemeinnützige internationale Jugendaustauschorganisation, mit denen ich als Schülerin ein High-School-Jahr in den USA verbracht hatte.
Seit 2001 gab es mit AFS auch Austausche mit China, und als Ehemalige mit Chinakenntnissen wurde ich angesprochen, an der Organisation und Vorbereitung dieser Programme mitzuwirken. Ich betreute auch ein Lehreraustauschprogramm zwischen Deutschland und China und nahm selbst an dem Austausch teil – eine große Lernerfahrung für alle Beteiligten! Während des Studiums war Interkulturelles Lernen kaum ein Thema, durch die ehrenamtliche Beschäftigung mit deutsch-chinesischem Austausch begann ich aber, mich in die Materie einzuarbeiten und zu den praktischen Erfahrungen den theoretischen Hintergrund zu ergänzen.
Durch diese Kontakte konnte ich mich auf eine Projektstelle bewerben, wo es um Marketing für ein Stipendienprogramm ging, das wiederum führte zu einer Position als Regionalbüroleitung, als AFS mehrere kleinere Büros in Deutschland gründete. Hier war ich mit einem Team von anfangs drei, später bis zu zehn Mitarbeitern, verantwortlich für die Betreuung von Gastschülern aus aller Welt, die Koordination und Organisationsentwicklung der ehrenamtlichen Gruppen vor Ort und Öffentlichkeitsarbeit für die AFS-Schülerprogramme im Ausland sowie die Suche nach Gastfamilien.
Ansprechpartnerin für Projekte rund um China
Als Sinologin war ich Ansprechpartnerin in der Organisation, wenn es um Projekte rund um China oder chinesische Teilnehmer ging. Durch die Zusammenarbeit mit Stiftungen (insbesondere Mercator und Robert Bosch) konnten eine Reihe von Begegnungen und Austauschen stattfinden. Ich habe mehrere Lehreraustausche zwischen Deutschland und China organisiert, vorbereitet und begleitet.
Es entstanden eine Reihe von Lehrerfortbildungen für Schulen, die Schüleraustausche mit China planen oder besser vorbereiten wollen. Auch für Familien, die Jugendliche aus China als Gastschüler aufnehmen sowie die Ehrenamtlichen, die diese Familien betreuen, wurden Handbücher, Informationen und Schulungen entwickelt. Die deutschen Schüler, die ein Schuljahr in China verbringen – und das nicht nur in den Metropolen, sondern auch in Städten wie Shijiazhuang, Changzhou oder Wuhu – werden ebenfalls gründlich auf das Leben in einer chinesischen Familie und in einer chinesischen Mittelschule vorbereitet.
AFS-Methoden, um interkulturelles Wissen zu vermitteln
Da AFS vorwiegend mit Jugendlichen arbeitet, sind die Methoden, um interkulturelles Wissen zu vermitteln, handlungsorientiert und an ihrer Lebenswelt ausgerichtet. Die interkulturelle Theorie bleibt eher im Hintergrund, es wird vor allem mit spielerischen Übungen, Diskussionen und Rollenspielen versucht, unterschiedliche kulturelle Tendenzen zu verdeutlichen.
Bei den Schülern stehen die großen „Stolpersteine“ im Mittelpunkt, vor allem die unterschiedlichen Erwartungen der Eltern an ihre Kinder in Deutschland und China, der Stellenwert von Lernen und Schule sowie unterschiedliche Gewohnheiten in der Kommunikation, wie etwa bei der Konfliktbewältigung. Bei der Entwicklung der Übungen und Rollenspiele konnte ich auf einen reichen Erfahrungsschatz und Hintergrund zu interkulturellem Lernen sowohl bei ehrenamtlichen als auch bei hauptamtlichen Kollegen zurückgreifen und dazu dann den chinaspezifischen Teil beisteuern.
Die Diskussion mit Kollegen und Ehrenamtlichen der chinesischen Partnerorganisation ergänzte dann das Bild, um einzuschätzen, wo sie die Hauptschwierigkeiten der chinesischen Teilnehmer beim Einleben in Deutschland und der deutschen Schüler in China sahen. Das Material wurde bei der Arbeit mit Ehrenamtlichen und Teilnehmern erprobt und dann mehrmals durch Projektgruppen überarbeitet.
Erfahrungsaustausch mit der wissenschaftlichen Community
Bei mehreren bundesweiten und internationalen Konferenzen hatte ich auch die Gelegenheit, unsere Erfahrungen mit Menschen aus der wissenschaftlichen Community zu diskutieren (Milton Bennett, Bruce LaBrack, Alexander Thomas, Arne Weidemann), ich schätze diese Art der Reflexion unserer Arbeit sehr.
Auch die Arbeit mit Lehrern und Schulen war sehr interessant – bei Lehrerfortbildungen zum Austausch mit China war das Ziel, den betreuenden Lehrern mehr Hintergrundwissen zum chinesischen Kulturraum und interkulturellen Unterschieden zu vermitteln, als auch ihnen ganz praktische Übungen und Material an die Hand zu geben, um ihre Schüler gut auf einen Aufenthalt an der Partnerschule vorzubereiten.
Zeit für ein neues Kapitel in 2013
Durch eine Umstrukturierung der Organisation wurden die Regionalbüros leider diesen Sommer geschlossen, und so ist für mich dieses sehr interessante und vielfältige Kapitel abgeschlossen. Zurzeit bin ich auf der Suche nach neuen Aufgaben, ich würde mich sehr freuen, wenn ich meine Erfahrungen und mein Wissen weiter im Bereich deutsch-chinesischer Austausch einbringen kann.
Beruhigend, dass es nicht immer schnurstracksgeradeaus geht, aber doch irgendwie alles gut laufen kann! Weiterhin viel Glück und Erfolg, Sara!