Von China-Wiki-Autorin Victoria Walter. China ist eines der Hauptproduktionsländer für Waren und Konsumgüter weltweit. Etwa 25 % der globalen Produktionen kommen aus dem Reich der Mitte. Viele Menschen bestellen mittlerweile Produkte, wie Mode und Elektronik, aus der Volksrepublik nach Deutschland. Dies erfolgt häufig über den direkten B2C-Versand. Dabei werden Websites wie Aliexpress verwendet, um Standardprodukte in geringen Stückzahlen zu erwerben. Wie aber sieht es für Unternehmen und größere Bestellungen aus? Bestellen aus China – Vorteile und Herausforderungen im B2B.
Auch deutsche Unternehmen, die anschließend an Endkunden verkaufen, sehen seit vielen Jahrzehnten die zahlreichen Vorteile, die eine Order aus China mit sich bringt. Diese reichen von günstigen Lohn- und Produktionskosten bis hin zu einer erheblichen Auswahl an Produkten und der Möglichkeit große Stückzahlen produzieren zu lassen. Hierbei erfolgt ein großer Teil der Bestellungen im B2B (Business-to-Business) von Produkten über chinesische Online-Plattformen wie Alibaba. Dies bürgt jedoch neben den genannten Vorteilen auch diverse Schwierigkeiten.
Bestellen aus China – so agieren deutsche Firmen
Alibaba ist bei deutschen Unternehmen im B2B-Bereich sehr beliebt. Es handelt sich dabei um die größte chinesische Handels- und Kommunikationsplattform für Geschäftskunden. Vom Aufbau und Design ähnelt sie Amazon oder Ebay und ist oft die erste Anlaufstelle für Einkäufer von Unternehmen. Auch Anbieter mit Online-Shops, die zum Beispiel auf Amazon verkaufen, landen meist dort, wenn sie eine Bestellung in China platzieren möchten.
Vorgehensweisen für Bestellungen aus China
Möchte ein Unternehmen ein bestimmtes Produkt anbieten, gibt es drei mögliche Vorgehensweisen.
- Zum einen kann das Produkt vom Unternehmen selbst produziert und vertrieben werden. Dies ist aufgrund der voranschreitenden Globalisierung jedoch nur noch selten der Fall. Die meisten Unternehmen vermeiden Zwischenschritte in der Lieferkette, wie das Lagern von Produkten, was eine Kapitalbindung durch Lagerkosten beinhaltet.
- Möglicherweise besteht aber auch bereits eine gute Verbindung zu einer externen Produktionsstelle, die mit der Fertigung des gewünschten Produkts beauftragt wird. Die Kommunikation, der Ablauf und das Ergebnis sind im besten Fall zufriedenstellend.
- Häufig tritt jedoch der dritte Fall ein – wenn ein Unternehmen weder die Kapazitäten hat, das gewünschte Produkt selbst zu fertigen, noch gute Kontakte zu externen Produzenten pflegt. Dann muss zunächst die Suche nach einem geeigneten Produzenten erfolgen. Wenn dies in China der Fall sein soll, ist der erste Schritt Alibaba, wo sogar die Sprache auf Deutsch (oder nahezu alle anderen Sprachen) eingestellt werden kann.
Bestellen aus China – Angebot von Alibaba
Das Angebot bei Alibaba ist gigantisch und bietet einem einen Überblick über ansprechende Lieferanten und Angebote. Sobald etwas Passendes ausgewählt wurde, können Unternehmen nach Details, wie Material und Preis fragen. Anschließend wird entschieden, ob ein Standardprodukt bestellt wird, so wie es meistens bei Alibaba angeboten wird. Außerdem kann das Produkt bei Bedarf mit einem eigenen Logo versehen werden. Jedoch sind auch wesentlich individuellere Produktionen möglich.
Wenn den Lieferanten genaue Informationen, Designs und Vorstellungen übermittelt werden, sind viele in der Lage, sogenannte Mock-Ups zu erstellen – CAD Zeichnungen, die den Interessenten verdeutlichen, wie ihr Produkt aussehen könnte. Zudem ist es beinahe immer möglich, Muster der gewünschten Waren zu erhalten. Diese enthalten jedoch eine oft recht hohe Gebühr zuzüglich den Transportkosten. Auch letztere sind nicht unerheblich beim beim Bestellvorgang. Damit kann entschieden werden, ob das Produkt final nur gebrandet oder doch individuell gefertigt werden soll.
Allerdings erfolgt die Bestellung von deutschen Unternehmen im B2B-Bereich in China nicht immer problemlos und mit dem gewünschten Ergebnis.
Bestellen in China – die Herausforderungen
Erfahrungsgemäß läuft die Bestellung von deutschen Unternehmen im B2B-Bereich in China nur halbwegs rund, wenn dem chinesischen Lieferanten klar mitgeteilt wird, dass das von ihm angebotene und gezeigte Standardprodukt bei Alibaba in einer bestimmten Stückzahl, und ohne besondere Extrawünsche, bestellt wird. Sobald individuelle oder kundenspezifische Produkte bevorzugt werden, stößt man als deutsches Unternehmen schnell an seine Grenzen, wenn in China geordert wird.
Sprachliche und kulturelle Diskrepanzen
Was das Bestellen aus China für deutsche Unternehmen erschwert, ist vor allem die Sprachbarriere. Die wenigsten deutschen Mitarbeiter verfügen über Mandarin-Kenntnisse und selbst ein ausreichendes Englischsprachniveau reicht oft nicht aus, um einen reibungslosen Bestellvorgang zu gewährleisten.
Denn Sprachenunabhängig existieren weitere Verständigungsprobleme in der Kommunikation. Diese gehen größtenteils auf die großen kulturellen Unterschiede zwischen der chinesischen Mentalität und den deutschen Kunden zurück. Oft macht sich dies bei Erwartungen zur Qualität von Produkten bemerkbar. Wobei diese Problematik in den letzten Jahrzehnten auch abgenommen hat.
Dennoch ist der hohe Qualitätsanspruch deutscher Kunden kaum mit der chinesischen Sicht der Dinge im Einklang. Darüber hinaus haben Chinesen ein anderes Verständnis von Stil und Ästhetik. Die Schönheitsideale sind auf beiden Seiten sehr unterschiedlich, was häufig zu Problemen und Konflikten führt. Dies zeigt sich besonders dann, wenn Lieferanten nicht das gewünschte Material, Muster oder Design liefern, sondern in Eigenregie entscheiden, was das Beste für den Kunden ist.
Unterschiedliche Mentalitäten und Verständnisse?
Eine weitere Problematik während des Bestellvorgangs von deutschen Unternehmen in China ist ein unterschiedliches Logikverständnis der Partner. Die Mitarbeiter der chinesischen Produktionsfirmen oder Handelsunternehmen, mit denen ein Kontakt über Alibaba aufgebaut wird, verfügen in den meisten Fällen über Universitätsabschlüsse. Dennoch mangelt es – zumindest aus deutscher Sicht – oft an einem Verständnis für die Wünsche oder Bedürfnisse der europäischen Kunden.
Scheinbar agieren die Ansprechpartner kaum individuell oder eigenständig, sondern arbeiten in der Regel vorgegebene Verhaltensmuster und Listen ab. Gefühlt hinterfragen sie immer wieder elementare Zusammenhänge, die für ein westliches Verständnis selbstverständlich sind. Oftmals verstehen sie die Sinnhaftigkeit darin nicht. So kommt es häufig vor, dass chinesische Lieferanten schlussendlich etwas liefern, was in wesentlichen Bestandteilen von Orderdetails abweicht und den Kunden nicht zufriedenstellt.
Dies geht oft auf Missverständnisse in der Kommunikation zurück, die aus deutscher Sicht nicht selten als Unehrlichkeit gedeutet werden, was natürlich für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit fatal ist. Am Ende bleibt den deutschen Unternehmen, aufgrund von festgelegten Lieferzeiten und Preisen, oft keine Wahl, als das gelieferte Produkt zu akzeptieren und weiter zu verwenden. Allerdings ist dies rechtlich oft nicht möglich, wenn zum Beispiel Inhaltsstoffe verwendet wurden, die gegen europäische Verordnung, wie etwa die Chemikalienverordnung REACH verstoßen.
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Bestellen in China – Bezahlvorgang und Käuferschutz
Bei der Bestellung aus China gibt es verschiedene Möglichkeiten der Bezahlung. Viele deutsche Unternehmen zahlen aus Unkenntnis 100% bei Auftragserteilung an die chinesischen Lieferanten. Dies ist insofern problematisch, da damit die Möglichkeit entfällt, die Produktqualität in Form eines Pre-Production-Samples zu testen. Auch lässt sich so der Produktionsfortschritt schwer überprüfen.
Solange der Kaufpreis nicht komplett beglichen ist, sind die Geschäftspartner in China in der Verpflichtung, zu kommunizieren und den Kunden mit gewünschten Informationen zu versorgen. Damit geht eine gewisse Sicherheit einher. Eine andere Variante. lautet „kleine Anzahlung / große Restzahlung“. Dabei zahlt der Kunde bei Auftragserteilung lediglich 30% und die restlichen 70% nach der Fertigstellung, also vor dem Transport der Ware. Dies bietet den deutschen Unternehmen die Möglichkeit beim chinesischen Lieferanten per Foto-, Video- und Mustermaterial Beweise über den Fertigungsprozess und das Endprodukt einzuholen.
Käuferschutz von Alibaba unparteiisch?
Alibaba bietet inzwischen einen sogenannten Käuferschutz an. Dabei machen die meisten deutschen Unternehmen allerdings eher schlechte Erfahrungen, wenn sie ihn in Anspruch nehmen möchten. Früher war es üblich, dass chinesische Lieferanten sich über Alibaba kontaktieren ließen, anschließend jedoch die Abwicklung eines Auftrags unabhängig von Alibaba regelten. Damit hatten deutsche Kunden noch weniger Sicherheit bei der Bestellung. Als Reaktion darauf hat Alibaba den Käuferschutz ins Leben gerufen. Es wird heutzutage dazu geraten, den gesamten Bestellvorgang und die Kommunikation über die Online-Plattform laufen zu lassen. So kann im Ernstfall zugunsten des deutschen Kunden ermittelt und gehandelt werden. Viele chinesische Lieferanten haben sich dem angeschlossen, auch wenn sie dafür eine Gebühr zahlen müssen. Damit wird der Anschein erweckt, dass deutsche Unternehmen abgesichert sind, falls es Schwierigkeiten bei der Bestellung gibt.
Offiziell deckt die chinesische Handelsplattform alle Konflikte und Lösungen für den Käuferschutz mit Programmen ab. Falls nach Lieferung Unstimmigkeiten auftreten, kann über Alibaba ein „Case“ eröffnet werden. Dabei können deutsche Unternehmen Nachbesserung, Preisnachlässe oder gar Stornierungen erwirken, wenn ein Produkt Mängel aufweist. In einem Zeitraum von bis zu zwei Wochen haben die chinesischen Lieferanten dann die Möglichkeit, darauf schriftlich zu reagieren. Es werden viele Nachrichten ausgetauscht und Bildmaterial muss hochgeladen werden, welches die Mängel ausreichend dokumentiert. Allerdings erleben viele deutsche Unternehmen dabei, dass Alibaba bei der Beurteilung und Klärung in den allermeisten Fällen zu Gunsten der chinesischen Lieferanten entscheidet. Somit ist diese Art des Käuferschutzes eher Augenwischerei.
Bestellen aus China im B2B – lohnt es sich?
Grundsätzlich hat China sich in den letzten Jahrzehnten eine Vormachtstellung in der Produktion und Lieferung von Produkten vieler Sparten erarbeitet. In Deutschland (und ganz Europa) erscheinen viele Produkte und ihre Herstellung nicht mehr realisier- und bezahlbar. Daher sind Plattformen wie Alibaba, Netzwerke und Kontakte zu chinesischen Lieferanten unverzichtbar.
Hierüber ist es möglich, geeignete Produkten und Lieferanten zu finden. China ist momentan meist die erste Anlaufstelle für deutsche Unternehmen, weil die Auswahl der Produkte gigantisch ist und die Kosten immer noch weit unter dem europäischen Niveau liegen. Dennoch zeigen die zuvor genannten Schwierigkeiten, wie sprachliche und kulturelle Diskrepanzen, der Bezahlvorgang und der nicht wirklich vorhandene Käuferschutz, wie wichtig Achtsamkeit für den B2B-Bereich ist.
Aktuelle und künftige Herausforderungen
Außerdem müssen noch weitere Aspekte angeführt werden, die es nötig machen, eine Bestellung in China genauestens zu überdenken. Zum einen sollte sich immer die Frage gestellt werden, inwieweit die Produktionen in China Umwelt- und Menschrechtskonform sind. Zum anderen muss bedacht werden, dass durch die Corona-Pandemie die weltweiten Lieferketten, speziell die aus China, massiv zusammengebrochen sind. Dies führt zu langen Lieferzeiten und sehr hohen Transportkosten. Außerdem ist die Produktqualität oftmals nicht mehr einheitlich, da Fabriken immer wieder in lokalen Lockdowns geschlossen werden und die Produktion einer Bestellung daraus resultierend auf diverse Produktionsstätten verteilt werden muss.
Deutsche Unternehmen stehen somit zunehmend vor dem Konflikt, weiterhin in China zu bestellen, oder auf europäische oder nationale Produktionen zurückzugreifen, oder mit dafür zu sorgen, dass wieder entsprechende Produktionsstätten geschaffen werden.
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Artikelbild: Unsplash / Pat Whelen
Brasi155 meint
Danke für die Tipps. Werde ich mir merken. Aktuell ist ja leider ohnehin schwierig wegen Lockdowns…