Viele verbinden mit China auch Seide. Dieser wertvolle Stoff ist bereits seit Jahrtausenden eine wichtige Handelsware. In China nahm Seide einen so bedeutenden Stellenwert ein, dass sich ein Seidenkult daraus entwickelte – samt Opferdarbietungen. Was genau ist Seide und wie hat sich ihre Bedeutung historisch entwickelt, erklärt in diesem Beitrag der Chinawissenschaftler Ching Hsiang Matthias Liang.
Im alten China, während der Shang-Dynastie, wurden für Seide gar Menschen geopfert! Laut Sage soll die Seidenherstellung von der mythischen Kaiserin Xi Lingshi, der Gattin des Huangdi (Gelber Kaiser), im dritten Jahrtausend vor Christus eingeführt worden sein. Belegen kann man diese Aussage natürlich nicht.
So funktioniert die Seidenproduktion
Doch was genau ist Seide? Seide wird von der Seidenraupe produziert. Die Raupe ernährt sich von Maulbeer-Blättern. Auch die Blätter von Eichen und anderen Bäumen dienen der Seidenraupe als Nahrung. Mit ihren Speicheldrüsen stellt die Raupe die Seide her. Die Seide ist also der Kokon der Raupe. Die Seidenfasern bestehen aus Proteinen. Um die Seide intakt ernten zu können, muss die Raupe sterben, meist in einem heißen Wasserbad. Dies verhindert, dass die Raupe die Seidenfäden aufbricht und somit beschädigt. Tierschützer wird dies nicht freuen!
Historisch war die Seidenproduktion einst stark in Nordchina verankert, doch verlagerten sich die Produktionszentren im Laufe der Zeit in den Süden in die Gegend um den Yangtse-Fluss aufgrund von Klimaveränderungen und den verheerenden Folgen von nomadischen Invasionen. Seide wurde oft von Bauern hergestellt, da man mit ihr die Steuern verrichten konnte. Ebenfalls gab es kaiserliche Manufakturen, in denen exquisite Seidenstoffe wie Damast, Brokat und Satin hergestellt wurden.
Diese waren entweder für die kaiserliche Familie gedacht, oder wurden als Luxuswaren im Ausland gehandelt. Seit der Industrialisierung während der späten Qing-Dynastie ist die Herstellung der Seide Frauensache. In den vorherigen Jahrhunderten war es größtenteils Männern vorbehalten, Seide zu produzieren. Frauen hingegen waren zu dieser Zeit meist nur in der Seidenproduktion involviert, wenn diese für den heimischen Gebrauch bestimmt war.
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Was ist Seide? So hat sich der Seidenhandel entwickelt
Lange Zeiten hüteten die Chinesen ihr Wissen um das Züchten von Raupen und der Seidengewinnung. Die Römer nahmen beispielsweise an, dass Seide ein pflanzliches Produkt sei. Durch den Handel mit Seide entstand ein großes Netzwerk von Handelswegen, heute meist als Seidenstraßen bekannt.
Die Seidenstraße vernetzte entfernte Regionen wie China, Zentralasien, Indien, Persien und schließlich Rom miteinander. Über diese Netzwerke wurden nicht nur Waren, sondern auch Ideen und Religionen ausgetauscht. So breitete sich zum Beispiel neben dem Manichäismus auch der Buddhismus über jene Handelswege nach China aus. Im 6. Jahrhundert allerdings lüfteten die Römer das Geheimnis um die Seidenproduktion und stellten Seide selbst her.
Fortan konkurrierte chinesische Seide auf dem Markt mit jener Seide, welche von den Römern und Persern produziert wurde. Die hohe Qualität der chinesischen Seide stellte jedoch sicher, dass Seidenstoffe aus China weiterhin eine beliebte Handelsware darstellten. Laut Bronzeinschriften aus der Zeit der Westlichen Zhou wurde Seide auch als Zahlungsmittel verwendet.
Seide und Religion – eine wichtige Verbindung
Doch Seide hatte nicht nur einen materiellen Wert. Für die Buddhisten war Seide im religiösen Kontext sehr wichtig. Sie benutzen Seide um ihre Götterstatuen damit zu ehren. Die Götterstatuen wurden in den kostbarsten Seidenstoffen gewandet. Während religiöse Zeremonien abgehalten wurden, drapierte man die Seide auch übe den Sitzen der buddhistischen Mönche. Ebenfalls wurden Kloster-Fahnen aus Seide gemacht.
Wollte man also einem Kloster etwas Gutes tun, schenkte man ihr Seide. Genau dies taten viele chinesische Kaiser. Während der Tang und der darauffolgenden Songzeit war es üblich, hochrangigen Mönchen mit purpurfarbenen Seidengewände, welche mit Gold verziert waren, zu belohnen. Diese Großzügigkeit der Kaiser muss als eine Strategie der Machterhaltung interpretiert werden, da der Buddhismus, vor allem für die turko-mongolischen Herrscher, welche oft über Nordchina regierten, als Legitimierung ihrer Dynastie diente.
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Was ist Seide? Seide als Alltagsgegenstand
Doch auch im Alltag fand Seide viele Nutzen. So wurde sie als Papier, Fischernetze, Instrumentsaiten, Bogensehen und als Wattierung für Winterkleidung verwendet. Ebenfalls konnte aus Seide ein wasserdichter Stoff hergestellt werden, in welchem man Flüssigkeiten transportieren konnte. Das chinesische Wort für Papier enthält sogar das Radikal Seide!
Obwohl Seide einen so vielfältigen Nutzen hatte, war vielen Menschen im chinesischen Reich das Tragen von seidenen Roben untersagt. Dies war lange Zeit der kaiserlichen Familie und dem Hof vorbehalten. Auch in Europa gab es Kleiderordnungen, die es den Nichtadeligen verbot, sich in Seide zu kleiden.
So existierte bereits unter Kaiser Augustus ein Verbot der Seide für die unteren Klassen. Auch der spanische König sah sich im 13. Jahrhundert genötigt, ein Gesetz zu verkünden, welche den Nichtadeligen verbot, sich in Seide zu kleiden. Noch im Jahr 1675 schreibt eine englische Verordnung vor, dass „jeder, der nicht Land von 100 Pfund besitzt, Damast, Seide, Taft nicht tragen darf, sei es als Robe, Mantel oder anderes Obergewand“.
Was ist Seide? Wichtigkeit bis heute beibehalten
Schließlich konnte dies aber den globalen Siegeszug der Seide nicht aufhalten. Noch heute erfreut sich dieser elegante Stoff höchster Beliebtheit. Ihren Status als Luxusware hat die Seide nicht verloren, noch immer steht Seide aus China für Eleganz, Qualität und Stil. Wer das nächste Mal mit Seide in Berührung kommt, weiß nun, welch komplexe Historie und Bedeutung ihr anhaftet.
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Artikelbild: Max van den Oetelaar / Unsplash
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