Mit „Taste the New Year“ und fruchtigem Pfirsichblütentee-Latte startet Starbucks (xing ba ke 星巴克) in das Jahr der Schlange. Die amerikanische Kaffeekette, die 1999 ihr erstes Café in der chinesischen Hauptstadt eröffnete, operierte Ende 2012 mit über 700 Läden landesweit. Und ein Blick in den Kaffeesatz verrät: 2014 soll China der zweitgrößte Markt außerhalb der USA werden, 2015 die Gesamtzahl der Cafés auf über 1500 in 70 Städten wachsen.
Wenn die Schlange nach Pfirsich schmeckt
Der Pfirsich und seine kulturellen Wurzeln im alten China
Der Jahresbeginn im Zeichen des Pfirsichs (tao 桃) bietet auch Anlass zu weiterer Interpretation, schließlich bergen Pflanzen allgemein, nicht zuletzt durch die jahrtausendealte Tradition der chinesischen Medizin, einen hohen metaphorischen Gehalt. Bestimmte Kombinationen der vieldeutigen Silbensprache können wie ein Bilderrätsel versteckte Botschaften enthalten. In dem Werk „Wundersame Geschichte vom Pfirsichblütenquell“ 桃花源记 des daoistischen Dichters Tao Qian 陶潜 (gest. 427 n. Chr.) steht „Pfirsichblütenquell“ als Synonym für Utopia, vergleichbar mit dem westlichen Mythos vom Garten Eden bzw. dem biblischen Paradies. Der Pfirsich gilt als Symbol der Langlebigkeit, ein zentrales Motiv u. a. in dem Roman „Reise nach Westen“ von Wu Cheng’en (吴承恩).
Eine historische Bayer-Werbung greift die Geschichte auf: In dem Opus hat der Affe Sun Wukong 孙悟空 die Pfirsiche der Unsterblichkeit aus dem Garten der Göttin Xi Wangmu 西王母 gestohlen. Der Wohnsitz der Göttin soll auf dem „Berg des westlichen Paradieses“ (kunlun 昆仑) liegen, wo sich auch der legendäre Pfirsichgarten am Jadesee befindet. Die Bäume blühen nur alle 3.000 Jahre. Alle Unsterblichen kommen zur Feier des Anlasses zusammen. Der Gott der Langlebigkeit, welcher auf einer weißen Hirschkuh (dem Überfluss) angeritten kommt und auf einem pfirsichförmigen Schalensessel Platz nimmt, ist einer von ihnen. Für ein langes Leben sind beide Urkräfte notwendig: Pfirsiche sind Weiblichkeitssymbole (yin 阴), und der Gott der Langlebigkeit ist männlich (yang 阳).
Im Klassiker „Traum der Roten Kammer“, der in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts verfasst wurde, wird der Pfirsich als Synonym für „Frau“ verwandt. Pfirsiche sind zudem beliebte Hochzeitsembleme und werden als Geschenk gereicht. Hochzeiten werden oft in die Zeit der Pfirsichblüte gelegt: „Man betrachtet den Frühling für die günstigste und glücklichste Zeit für die Verheirathung und giebt vorzüglich dem ersten Monde des chinesischen Jahres (im Februar) den Vorzug. In diesem Monate blühet in China der Pfirsichbaum, und davon rühren auch die häufigen Anspielungen auf diesen Baum her, wenn vom Heirathen die Rede ist.“ (Davis, 1839) In modernen Auslegungen deutet der einzelne Kern in dieser Frucht auf die Einkindfamilie.
Kann Starbucks vom Pfirsichblütenquell in China profitieren?
In der Vergangenheit haben sich nicht wenige Marktakteure an dem Pfirsichblütenquell gelabt, mit Expansionen von einer Neueröffnung pro Tag von sich reden gemacht und ihr Utopia später nach unten korrigiert. Doch ob es Starbucks gelingt oder nicht, weitere 800 Cafés in den nächsten zwei-drei Jahren zu eröffnen, für Investitionen in die Langlebigkeit und Stärke der Marke ist der chinesische Markt attraktiv und bietet einen hohes Potenzial. Mit welcher Geschmacksnote jedoch Pferd und Schaf in den Folgejahren aufwarten … das bleibt mit Genuss abzuwarten.
Zum Autor
Dr. Dr. Andreas Tank ist Marketingdirektor eines deutschen Unternehmens in China und Autor der Management-Fachbücher „Zwischen Faszination und Furcht – Ausländische Marktakteure in China“ und „China-Marketing – Erfolgsfaktoren für die Marktbearbeitung“. www.china-marketing.eu und www.chinamarketingblog.com
Caipi meint
interessanter einblick!!!
Kerstin99 meint
schöner artikel, gefällt mir: jetzt warte ich nur noch bis es den kaffee mit geschmack der tausendjährigen eier gibt – mehr kulturelles erbe ging ja kaum;) gruß, kw
Jet Li meint
“Zwischen Faszination und Furcht – Ausländische Marktakteure in China” habe ich hier liegen. Sehr lesenswert: Kultur und Wirtschaft aufs Interessanteste vereint!
Die Bohne meint
Musste Starbucks in China nicht im Kaiserpalast schließen? Offenbar haben die sich endlich auch auf den chinesischen Markt eingestellt. Dass da (in China!) für vier, fünf Euro Kaffee verkauft wird, halte ich aber für einen Unverschämtheit! Davon kann doch auf dem Land eine Familie für eine Woche leben…
Die Bohne