Ein Gastbeitrag von Florian Rustler.
Seit 2004 unterstützt creaffective seine Kunden, Mittelständler und Konzerne weltweit, dabei, Kreativität zu fördern und Innovationskraft zu stärken. Neben Europa liegt der Schwerpunkt unserer Arbeit auf Greater China.
Ich persönlich arbeite mit nationalen und internationalen Unternehmen vor allem in China und Taiwan, teilweise auch in Singapur und Malaysia. Besonders in China und Taiwan findet ein Großteil der Arbeit auf Mandarin statt. Dieser Artikel schildet Eindrücke und Erfahrungen, die ich während der letzten zehn Jahre in Asien gemacht habe.
Einflüsse der chinesischen Kultur auf Innovationsbemühungen
Die Menschen hier assoziieren mit China nicht als erstes Kreativität und Innovation, sondern nach wie vor Kopieren und minderwertige Qualität. Und in der Tat spielt Innovation in China noch nicht die Rolle, die sie bei uns spielt, obwohl das Wort natürlich ein omnipräsentes Schlagwort ist und die chinesische Regierung indigene Innovation zu einem strategischen Schwerpunkt erklärt hat.
Gründe, warum sich chinesische Unternehmen mit Innovation schwerer tun gibt es viele. Zentrale Einflussfaktoren aus meiner Sicht sind:
- fehlende Wissenstiefe der Mitarbeiter
- kein Zugang zu Kapital
- mangelnde langfristige (rechtliche) Sicherheit
- ein wenig innovationsförderndes Umfeld, das es Unternehmen ermöglicht sich zu entwickeln
- eine noch zu wenig entwickelte Innovationskultur
Als Teil unserer Innovationstrainings mit Führungskräften diskutieren wir die Rolle der chinesischen Kultur auf ein Klima der Innovation in Unternehmen. So ein Klima, dass es Menschen ermöglicht kreativ zu sein und ihre Kreativität zu nutzen, um Wert für eine Organisation zu schaffen, hängt von einer Reihe an Faktoren ab.
Dabei spielt eine Rolle,
- ob sich Menschen wohl damit fühlen, Ihre Gedanken mit anderen zu teilen.
- ob Menschen keine Angst davor haben, Fehler zu machen oder ob sie in einem bestimmten Umfeld Fehler machen dürfen.
- ob es möglich ist, dass Menschen Ideen teilen, auch wenn diese Ideen noch nicht zu Ende gedacht sind.
- ob es erlaubt ist, Neues auszuprobieren und von diesen Experimenten zu lernen.
- ob Menschen Einfluss darauf haben wie sie ihre vorgegebenen Ziele erreichen. Obwohl das Ziel vorgegeben ist, kann der Weg dorthin beeinflusst werden.
Teilnehmer unserer Kreativitäts- und Innovationstrainings in China stimmen zu, dass die chinesische Kultur teilweise Verhaltensweisen fördert, die den oben genannten Faktoren entgegenstehen.
Die chinesische Kultur ist kontextspezifisch. Es ist wichtig, wer was zu wem in welchen Kontext sagt. Dieser Kontext spielt eine größere Rolle als in unseren Breiten. Wenn der Vorgesetzte in China anwesend ist, ist es daher gut möglich, dass sich Menschen deutlich anders verhalten, als wenn er nicht anwesend wäre. Außerdem spielt die Machtdistanz eine größere Rolle als bei uns. Was der Vorgesetzte sagt, zählt mehr und es wird von ihm auch oft erwartet als Chef sich wie ein Chef zu benehmen und klare Ansagen zu machen.
Von großem Einfluss ist auch das kompetitive Erziehungssystem, das Fehler schnell bestraft und in dem es überlebenswichtig ist, die richtigen (meist auswendig gelernten) Antworten zu geben und dies schneller und besser als andere.
Dieses System versetzt die Fähigkeiten des kreativen Denkens in einen langen Winterschlaf, vor allem dadurch, dass es kreatives Denken nicht wertschätzt und sogar bestraft. Diese Elemente führen zu kulturellen Rahmenbedingungen, die es teilweise erschweren Risiken einzugehen, neue Wege zu auszuprobieren, einfach deshalb weil die negativen Konsequenzen auf der persönlichen, beruflichen oder organisationalen Ebene gravierend sind.
In einem Training mit oberen Führungskräften verschiedener chinesischer Staatsunternehmen habe ich eine Übung zur Ideenentwicklung durchgeführt und es war erstaunlich, in welcher Geschwindigkeit und mit welcher Originalität die Ideen sprudelten und wie viel Spaß die Teilnehmer hatten. Auf diese Tatsache angesprochen waren sich die Teilnehmer einig, dass dies dadurch zu erklären sei, dass alle Teilnehmer aus unterschiedlichen Unternehmen kämen und in keinerlei Abhängigkeits- oder Machtverhältnis zueinander stünden.
Ein Klima des Vertrauens schaffen und Neues zulassen
Egal, ob wir von Innovationstrainings oder von moderierten Innovationsworkshops sprechen, in welchen es darum geht, neue Lösungen auf eine ganz bestimmte Herausforderungen zu entwickeln: In unserer Arbeit geht es in einem ersten Schritt immer erst einmal darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Menschen sich trauen, die oben genannten Punkte zu tun.
Das heißt die Menschen müssen die Sicherheit bekommen, dass es ok, ja sogar gewünscht ist, wenn sie alle ihre Ideen mitteilen und auch ganz bewusst wilde und abwegige Ideen entwickeln. Dazu müssen wir die Machtdistanz zwischen den Menschen für bestimmte Zeit aufheben und eine Gegenkultur entwickeln, die manchen gewohnten kulturellen Normen entgegen steht. Diese Aspekt spielt in unseren Breiten natürlich auch eine Rolle, aber eine geringere.
Sobald diese Rahmenbedingungen gegeben sind, sind Chinesischen genau so kreativ und innovativ wie Europäer und Amerikaner auch. Unsere Arbeit besteht dann vor allem darin, die Menschen immer wieder vor einem Rückfall in das gewohnte Schema zu bewahren. Wie auch hier in Deutschland geht es sobald diese Grundlage geben ist darum, Menschen mit Methoden und Prozesskompetenz zu unterstützen ihr Wissen so zu katalysieren, dass wirklich Neues entstehen kann.
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Ich denke, Sie sprechen in Ihrem kurzen aber sehr gut umrissenen Artikel die Hauptkriterien an, die kreatives Denken im Allgmeinen ermoeglichen. Ich kann dies nur bestaetigen: In meinen Trainings fuer Chinesen erlebe ich auch immer wieder, dass meine Teilnehmer – entgegen des vorherrschenden Klischees der Zurueckhaltung und Passivitaet – sehr kreativ, spontan und innovativ sein koennen … sofern eben die richtigen Rahmenbedingungen hierfuer geschaffen sind.