Von ICC-Redakteurin Isea Cieply
Chinesische Namen können Ausländern leicht zum Verhängnis werden und zu Peinlichkeiten führen, klingen sie doch in unseren Ohren fremdartig, werden oft falsch verstanden und falsch ausgesprochen. Selbst wenn die Aussprache des Namens ohne Zungenverknotung gelingt, scheinen chinesische Namen nicht allzu oft den direkten Weg in unser Gedächtnis zu nehmen.
Mit Anredeformen wie Lehrer (laoshi 老师) oder Meister (shifu 师傅), die als allgemeine, respektvolle Anreden benutzt werden, kann dieses Problem zwar vorübergehend umgangen werden. Dennoch lohnt es sich unbedingt, sich näher mit chinesischen Namen auseinanderzusetzen, wenn man häufiger mit Chinesen zu tun hat.
Die namentliche Identität in der Dunkelheit
Im allgemeinen Sprachgebrauch steht das chinesische Wort mingzi 名字 für den Namen einer Person oder einer Sache. Das Schriftzeichen ming 名 setzt sich dabei aus den Radikalen xi 夕 (etwa „Abenddämmerung“) und kou 口 (verweist auf den Mund oder das Sprechen). Demzufolge ist der Name im Chinesischen seiner ursprünglichen Bedeutung zufolge also das Erkennungszeichen in der Dunkelheit, anhand dessen man sein Gegenüber identifizieren kann, wenn man es nur schemenhaft erahnen kann.
Chinesische Namen setzen sich aus zwei bis vier Schriftzeichen zusammen. Anders als hierzulande steht der Nachname (xing 姓) in China vor dem Vornamen (ming 名). Warum aber trägt das Schriftzeichen für „Familienname“ eine Frau (nü 女) als Radikal, obwohl doch die Mehrheit der Chinesen den Namen ihres Vaters tragen? Dem Shuowen jiezi 说文解字[1] zufolge verweist das Radikal für Weiblichkeit im Zeichen xing 姓 ursprünglich auf die Mutter eines Clans im alten China. Der rechte Teil (sheng 生: Leben; gebären) neben der bedeutungsgebenden, vor allem eine lautgebende Funktion. Zwar existieren über 700 verschiedene Familiennamen, die meisten Chinesen tragen jedoch einen der etwa zwanzig häufigsten Namen. Die meisten Familiennamen bestehen dabei aus einem Zeichen. Hiervon gibt es einige wenige Ausnahmen, beispielsweise Sima 司马, Zhuge 诸葛, Ouyang 欧阳 und Situ 司徒.
Chinesische Vornamen im Wandel der Zeit
Chinesische Vornamen haben im Laufe der Zeit verschiedene Trends durchlaufen, von denen häufig ein Bezug zur gesellschaftlichen und politischen Situation ableitbar ist. Infolge der Gründung der Volksrepublik wurden viele Kinder der 50er und 60er Jahre Jianguo 建国 (wörtlich etwa „einen Staat gründen“) oder Jiefang 解放 (wörtlich: „Befreiung“) genannt, letzterer spielt dabei auf die sogenannte „Volksbefreiung“ und den Triumph über die Guomindang 国民党 1949 an. Im Kontext des Koreakrieges zwischen 1950 und 1953 wurden dann Namen wie Yuanchao 援朝 (wörtlich: „Beistand für Nordkorea“) und Kangmei 抗美 („Widerstand gegen Amerika“) populär. In den 1960er bis 1970er Jahren erfreuten sich Namen wie Geming 革命 („Revolution“), Wenming 文革 (Zivilisation, Kultur), Hong 红 (rot) oder Wei 卫 (beschützen, verteidigen) großer Beliebtheit. Im Zuge der zunehmenden außenpolitischen Öffnung Chinas unterlagen in den 1980er bis 1990er Jahren schließlich auch Vornamen ausländischen Einflüssen, Namen wie Linna 林娜 und Mali 玛丽 (aus dem Englischen, „Mary“) kamen auf. Seit den 2000ern ist es außerdem Mode, seltene Zeichen („Pizi 僻字“) als Vornamen zu verwenden.
Die Sache mit den Klang chinesischer Namen
Falls Sie gerade auf der Suche nach einem chinesischen Namen sind: Achten Sie unbedingt auf den Klang. Auch bei der schönsten Bedeutung eines chinesischen Namens, kann es doch sein, dass dessen Sprachmelodie merkwürdig anmutet. Wie etwa bei dem Namen „Dong Dongdong 董东栋“, der durch die unterschiedlichen Töne und die gleiche Pinyinsilbe so klingt, als würde jemand auf einem Xylophon herumklimpern. Da das Chinesische eine recht silbenarme Sprache ist, ist es zudem nicht selten, dass ein vermeintlich wohl klingender Name in seiner Lautung an eine zweite, weniger schöne Bedeutung erinnert. Als Beispiel sei der Name Shi Zhenxiang 史珍香 (übersetzt etwa: Shi (Nachname)/ wertvoll/ duftend), der in seiner bloßen Lesung nicht von shi zhenxiang 屎真香 zu unterscheiden ist, was man annähernd mit „Exkremente riechen ziemlich“ übersetzen muss. Ein weiteres Beispiel ist der Name Wu Neng 吴能 (Wu (Nachname)/ Neng 能 verweist auf Geschick und Fertigkeit). Gleichwohl dem Herrn Wu 吴 eigentlich scheinbar Geschick mit in die Wiege gelegt wurde, könnte man aufgrund der gleichen Lautung bei einer ersten Begegnung mit diesem Herrn, auch die Schriftzeichen wuneng 无能 assoziieren, was als „ohne Fähigkeiten“ übersetzt werden kann.
Es macht demnach großen Sinn, sich umfassend zu informieren und beraten zu lassen, wenn man – als Ausländer – einen passenden Namen sucht. Auch Chinesen lassen sich verschiedentlich unterstützen, falls beispielsweise der Nachwuchs benannt werden will. In jedem Fall bleibt es auch spannend zu beobachten, wie sich mit Chinas künftiger Entwicklung die Vor- und Nachnamen im Land weiterentwickeln werden.
[1] Das Shuowen jiezi 说文解字 stellt das älteste und eines der wichtigsten Wörterbücher chinesischer Schriftzeichen dar. Es stammt aus der Späten Han-Zeit 后汉 (25-220 CE).
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