In einem früheren Artikel wurde das Bild der Deutschen in chinesischer Ratgeberliteratur untersucht. Dabei kam heraus, dass die Deutschen, die in China eigentlich ein gutes Image haben, in Ratgebern gelegentlich als stur, überheblich und gerissen beschrieben werden.
Eine treue Blog-Leserin aus Berlin hat uns angeschrieben und gefragt, wie sich die Chinesen in den Büchern denn selbst beschreiben. Diese gute Frage greifen wir gerne auf und stellen hier auszugsweise die chinesische Selbstwahrnehmung in Business-Ratgebern vor.
Chinesen in Business-Ratgebern aus China
Es werden drei Auszüge aus zwei verschiedenen Ratgebern vorgestellt. Im Mittelpunkt steht der vermeintlich typisch chinesische Umgang mit Konflikten. Bekanntlich gehört China zu denjenigen Ländern, in denen es relativ wichtig ist, sein Gesicht zu wahren und nicht in großer Runde Meinungsverschiedenheiten auszutragen.
Wie wird das in der Literatur dargestellt? Werden alle Chinesen als Einheit beschrieben? Was wird zudem über den Umgang mit Konflikten gesagt, wenn Menschen aus Ost und West zusammenkommen?
Auszüge
1. Ursprünge des chinesischen Konfliktverhaltens
„Das konfuzianische Denken ist die Hauptströmung der chinesischen Kulturtradition, seine Besonderheit liegt darin, dass ein Schwerpunkt auf die Erforschung der menschlichen Geisteskultur gelegt wird. […] So werden beispielsweise in der konfuzianischen Kultur der chinesischen Tradition die Beziehungsharmonie und die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Gruppe betont sowie zur gemeinsamen Entwicklung ermutigt […].“
Diese Passage stammt aus dem Buch Vorlesung zur Managementlehre 管理学教程 (Wang Junliu 王俊柳 / Deng Erlin 邓二林, 2003, S. 22/56). Der Konfuzianismus wird als Grund für die chinesische Konfliktvermeidung genannt, die einen positiven Einfluss auf das Gruppenverhalten der Chinesen haben soll.
2. Chinesischer Umgang mit Konflikten in der Gegenwart
Der nächste Auszug entstammt dem Buch International Business Negotiation 国际商务谈判 (Liu Hong 刘宏 / Bai Hua 白桦, 2011, S. 239). Nachdem darin auch auf die konfuzianischen Wurzeln eingegangen wurde, heißt es über die Chinesen in der Gegenwart:
„Deshalb bevorzugen die Chinesen, viel zuzuhören und wenig zu sprechen, sehr wohlüberlegt zu handeln, wobei das Ziel ist, Konflikte im Austausch zu vermeiden, das harmonische Miteinander zu schützen und Rücksicht auf das Gesicht (mianzi) aller Beteiligten zu nehmen.“
Hier werden Eigenschaften, die häufig mit chinesischem Sozialverhalten verbunden werden, im frühen Konfuzianismus begründet. Alle Chinesen erscheinen nach diesem Auszug zurückhaltend und harmonieliebend.
3. Konfliktverhalten in Ost und West im Vergleich
Wie sieht es aber mit den Westlern aus? Muss es nicht zum Konflikt mit ihnen kommen? Liest man den Auszug des Buchs zur Managementlehre von oben weiter, kommt dies heraus:
„So werden beispielsweise in der konfuzianischen Kultur der chinesischen Tradition die Beziehungsharmonie und die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Gruppe betont sowie zur gemeinsamen Entwicklung ermutigt; demgegenüber betont die westliche Kultur den Kampf des Einzelnen und ermutigt zum Konkurrieren.“ (Ebd.)
Muss es demnach nicht zu Konflikten zwischen Ost und West kommen? Die einen suchen Harmonie, die anderen suchen den Kampf. Wo soll das nur hinführen?
Kampf der Kulturen?
Um einen Kampf der Kulturen müsste man sich eigentlich nicht sorgen, da die asiatische Seite ja nie den Konflikt suchen würde. Dies müsste zumindest die Erklärung der Ratgeber aus China sein.
In den letzten Jahren wurde aber vor allem in Asien überlegt, ob die asiatische Arbeitshaltung nicht eine gute Alternative zum Verhalten in westlichen Unternehmen sein könnte. Als Argument führte man in der Regel den wirtschaftlichen Erfolg in Ländern wie Südkorea, Singapur und seit einigen Jahren natürlich auch China an.
Haben bestimmte chinesische Verhaltensweisen vielleicht wirklich gute Chancen, ein Exportschlager zu werden? Dafür müsste wohl erst geklärt werden, ob es überhaupt dieses eine chinesische Verhalten geben kann. Denn einerseits ist nicht allgemein akzeptiert, ob der Konfuzianismus heute noch so starken Einfluss ausübt. Andererseits stellt sich die Frage, ob mit der These des chinesischen Nationalcharakters nicht zu stark pauschalisiert wird. Sind denn alle Chinesen so harmonieliebend und konfliktscheu? Das gilt ebenso für die Darstellung des westlichen Verhaltens.
Auf jeden Fall bleiben Ratgeber eine interessante Quelle, um Selbst- und Fremdbildern in Ost und West nachzuspüren. Vielleicht ist die Beschreibung des harmonischen Chinesen darin ja auch nur ein Wunschbild? Darüber lässt sich streiten…
Haben Sie als Geschäftsfrau oder -mann in China Erfahrungen mit chinesischen Geschäftsleuten gemacht? Wie beurteilen Sie das Bild, das in den Ratgebern dargestellt wird? Schreiben Sie uns gerne einen Kommentar mit Ihrer Einschätzung.
Falls Sie weitere Fragen zu Selbst- und Fremdbildern, Klischees sowie deren Folgen auf deutsch-chinesische Geschäfte haben, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
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frank harris meint
ich fange an diesen blog wirklich zu mögen. schöner artikel! wann lesen wir denn was von den chinesen in deutschen china-ratgebern? die sollten doch auch voll von vorurteilen sein oder? das kann z. b. auch schön in britischen ratgebern und „sachbüchern“ über deutschland sehen. hofstede lässt grüßen… mfg frank
MaGuang meint
Ja, die Bilder über China der Deutschen sind auch eine eigene (komische) Geschichte… Lohnt sich zu erzählen! (Übrigens: Ich bin chinesische Kaufmann, aber nicht immer so harmonisch;)
Heike S. meint
Ich habe schon gemerkt, dass in China das Gesicht in der Öffentlichkeit geschützt wird, darin ist dann Harmonie schon sehr wichtig. Das kann sich aber in Verhandlungen mit kleinen Theatereinlagen ändern. Ob dann wirklich wer sein Gesicht verlierte, weiß ich nicht. Es kann da jedenfalls schon sehr unharmonisch zugehen. Ich habe aber auch nichts verstanden, weil Chinesisch gesprochen wurde. Gruß, H.S.