Text und Bilder von ICC-Redakteur Lars-Pascal Reuter
China ist berühmt für seine acht großen Regionalküchen und jeder Chinese ist stolz auf das köstliche Essen seiner Heimatregion – zu Recht! Doch hat die Kochkultur im Reich der Mitte an Vielfalt noch mehr zu bieten? Für 36 der 55 offiziell anerkannten Minderheiten der Volksrepublik stellt Yunnan die Heimat dar – und das spiegelt sich natürlich auch in der Kochkultur wider. Wir nehmen Sie mit in den exotischen Süden und zeigen, was eine dieser nationalen Minderheiten an Köstlichkeiten zu bieten hat.
Das Volk der Dai (chin. Dǎizú 傣族) gehört zu den Tai-Völkern und wird aufgrund erheblicher historischer, kultureller und sprachlicher Unterschiede von der chinesischen Regierung als eigenständige Nationalität mit über 1,2 Mio. Angehörigen betrachtet. Die Speisen in der autonomen Präfektur der Dai werden bevorzugt scharf und sauer zubereitet und verbinden in sich die Eigenschaften der südchinesischen Küche und jener Südostasiens. Hier folgen nun einige kulinarische Highlights.
Top 5 – Gebratene Hornissenpuppen
Chaofengyong 炒蜂蛹 („Gebratene Hornissenpuppen“) ist eine Spezialität der südlichen Dai-Präfektur und vor allem in der Stadt Mangshi 芒市 sehr beliebt. In so gut wie jedem Restaurant sieht man Hornissenwaben offen zur Schau gestellt. Bestellt der Gast eine Portion, werden die noch lebenden Puppen geschickt von einem Koch aus ihrem Brutnest entfernt und mit Gewürzen sowie einer ordentlichen Portion Chili im Wok knusprig gebraten. Zubereitet werden dabei alle Puppen, unabhängig von der Größe oder dem Entwicklungsstadium. Die relativ jungen Hornissenlarven sind dabei allerdings wegen ihrer cremigen Konsistenz bei den Dai und auch bei mir am beliebtesten. Serviert wird die Speise mit einem feurigen Dip und Reis.
Top 4 – Tausendjähriger Eiersalat
Deutscher Eiersalat trumpft bekanntermaßen mit viel Mayonnaise und wenig frischem Gemüse oder Salat. Mein Platz 4 nimmt die wohl gesündere südchinesische Variante des Eiersalats ein. Pidan Shala 皮蛋沙拉 („Tausendjähriger Eiersalat“) wird mit Vorliebe als Beilage zu einem deftigeren Mahl gegessen. Tausendjährige Eier sind im Grunde nichts Besonderes in der chinesischen Küche und im ganzen Reich verbreitet, allerdings handelt es sich hier um eine spezielle Variante. Anders als in den meisten Teilen des Landes wird in der Nähe der chinesisch-burmesischen Grenze das Hühnerei weniger lang fermentiert und anschließend gekocht. Das Resultat ist eine geschmacklich weniger strenge Mischung aus einem gewöhnlichen Ei und einem fermentierten Tausendjährigem Ei. Das gekochte Pidan wird anschließend in gröbere Happen zerteilt und mit frischen Tomaten, Zwiebeln, Gewürzen, sowie einer Soja-Essigsauce und – wie sollte es anders sein – einer gehörigen Prise Chili serviert.
Top 3 – Kalte Reisnudeln nach Dai-Art
Kalte Nudeln erfreuen sich in ganz China großer Beliebtheit, auch die Dai-Minderheit hat ihre eigene Variante. Daiwei Sapie 傣味撒撇 („Kalte Reisnudeln nach Dai-Art“) gehört für viele Dai zu ihrem „täglich Brot“, es handelt sich um kalte dünne Reisnudeln, die mit einer Menge Rindfleisch und einer scharfen, aber vor allem sauren Sauce aus Essig, Wurzelgemüse, Chili, Kräutern und Gewürzen serviert werden. Dem ungeübten Gaumen mag dieses Gericht sehr gewöhnungsbedürftig vorkommen, denn die Sauce ist extrem sauer und das Wurzelgemüse entwickelt im Mund einen sehr beißend scharfen, merrettichähnlichen Geschmack. Vielleicht nicht jedermanns Sache, trotzdem eines meiner Top-Daigerichte und unbedingt jedem Yunnan-Touristen zu empfehlen.
Top 2 – Dai Ananas-Klebreis
Im Süden Yunnans wird nicht ausschließlich sauer-scharf gegessen, auch Freunde der süßen Seite des Lebens kommen auf ihre Kosten. Boluofan 菠萝饭 („Ananas-Klebreis“) ist einer der besten Beweise, dass man Reis nicht nur herzhaft zubereiten muss und gehört deswegen zu meinen persönlichen Highlights der Dai-Küche. Eine Ananas wird zunächst „geköpft“ und ausgehöhlt, anschließend wird das saftige Fruchtfleisch mit einer guten Menge Palmzucker und zuvor zubereitetem Klebreis vermengt. Eine halbe zerstoßene Banane verleiht dem Ganzen zusätzlich eine Gewisse Rundung. Die ausgehöhlte Ananas wird zu guter Letzt wieder mit der klebrigen Masse befüllt. Eine halbe Stunde im Dampfgarer lässt den Palmzucker schmelzen und gibt der Süßspeise das nötige Finish. Serviert wird die vollständige Ananas mit einer süßen Ananas-Klebreisfüllung. Hübsch anzusehen und die perfekte Nachspeise!
Top 1 – Shouzhua Reis
Kommen wir nun zu meiner persönlichen absoluten Nummer 1. Wenn es China einen weiteren Begriff für „Festmahl“ geben würde, wäre dieser sicher Shouzhuafan 手抓饭. Direkt übersetzt heißt dies so viel wie „Reis, den man mit den Händen anfasst“ und genau das trifft es, denn man isst diese Speise mit den Händen und völlig ohne Zuhilfenahme von Besteck . Serviert auf einer riesigen mit Bananenblättern ausgelegten Bambusscheibe, die von Fleischgerichten bis hin zu vegetarischen Spezialitäten, Reis und regionalen Früchten, mit allerlei Dai-Köstlichkeiten bestückt ist. Da jedes Restaurant seine eigenen Spezialitäten hat und die Speisen auf der Bambusscheibe somit auch je nach Lokalität wechseln, ist es jedes Mal ein ganz besonderer Genuss. Am besten teilt man dieses Festmahl mit guten Freunden und trinkt dazu ein eiskaltes Bier oder einen hausgemachten Reiswein.
Appetit auf mehr? Das Volk der Dai ist sehr liebenswürdig und heißt Touristen gerne willkommen! Besonders während des Wasserfestes, mit dem die Dai-Minderheit das neue Jahr begrüßt, lohnt sich eine Reise. Die autonome Präfektur der Dai in Yunnan ist am besten über den Luftweg aus der Provinzhauptstadt Kunming zu erreichen.
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