Um Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) besser verstehen zu können, sind verlässliche Quellen sehr wichtig. Im Duden gibt es dafür beispielsweise bis heute keine Erklärung für den Begriff. In dieser neuen Kolumne von China-Wiki teilt die erfahrene Fachfrau Sabine Schmitz ihre TCM-Erfahrungen. Was unterscheidet TCM von westlicher Medizin? Welche TCM-Missverständnisse sind weit verbreitet?
Wussten Sie, dass die Aufzeichnungen der Traditionellen Chinesischen Medizin, kurz TCM, mehr als zweitausend Jahre zurückreichen? Welches andere Medizinsystem kann so etwas von sich behaupten? In diesem Beitrag kläre ich Fragen, die sehr häufig im Zusammenhang mit der TCM gestellt werden.
TCM-Erfahrungen aus der alltäglichen Praxis
Was zeichnet die chinesische Medizin im Vergleich zur westlichen aus?
Ganzheitlich und ursachenorientiert – TCM funktioniert fundamental anders zur herkömmlichen Schulmedizin. Während die westliche Medizin in der Regel versucht, einzelne Symptome zu behandeln, betrachtet die ganzheitliche Herangehensweise der TCM immer die gesamte Person. Der Mensch als Einheit von Körper und Geist ist im Denken der TCM untrennbar. Ebenso spielen psycho-emotionale Faktoren, soziales Umfeld und Lebensgewohnheiten, Ernährung und klimatische Bedingungen eine enorm wichtige Rolle. Gerade in unseren hektischen Zeiten, sind solche Betrachtungen wichtiger denn je und die genannten Punkte sollten als Ursachen nicht unterschätzt werden.
Natürlich – viele Patienten wünschen sich heutzutage einen natürlichen Ansatz, der effektiv ist und keine Nebenwirkungen mit sich bringt. Hier kommt die TCM als sanftes und wirksames medizinisches System mit ihren vielfältigen Methoden ins Spiel. TCM greift auf die Wirkstoffe der Natur zurück und kommt ohne synthetische Stoffe aus, ist nahezu nebenwirkungsfrei und in ihrer Wirkung erfahrungsgemäß langanhaltend.
Individuell – jede Patientin und jeder Patient, der sich für TCM entscheidet, erhält seinen individuellen Behandlungsplan. Eine Standardmedizin gibt es in der TCM nicht. Jeder Patient hat seine individuellen Symptome und unterschiedliche Lebenssituationen. Jede Rezeptur und Auswahl an Akupunkturpunkten ist auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen angepasst und wird bei jedem Besuch neu erstellt. Mit anderen Worten, eine rein symptomorientierte Behandlung, wie sie in der westlichen Medizin häufig angewendet wird, wird bei komplexen Erkrankungen keine dauerhafte Lösung erreichen.
Missverständnisse über Traditionelle Chinesische Medizin
Welche Missverständnisse gibt es über TCM in Deutschland?
Aufgeklärte Patienten – hier kann ich nur für mich und meine eigenen Erfahrungen aus der Praxis sprechen. Generell sind meine Patienten relativ gut informiert und finden meine Praxis, indem sie gezielt nach einem TCM-Therapeuten suchen bzw. auf Empfehlung kommen. Ich muss neue Patienten also nicht von TCM-Erfahrungen überzeugen.
Chinesische Arzneimittel haben eine große Wirkung – wenn es einen Irrtum gibt, dann dass Patienten meinen, die TCM besteht zu wesentlichen Teilen aus der Akupunktur. Diese macht in der TCM jedoch nur einen kleinen Teil aus. Wahrscheinlich liegt es daran, dass der wesentlichere Teil der TCM – die Chinesische Arzneimitteltherapie – in Deutschland seltener angeboten wird, da sie schwieriger zu erlernen ist und die Ausbildung dementsprechend länger dauert. Aber, es gibt sie auch in Deutschland und sie ist – nach meinen Erfahrungen – bei chronischen und komplexen Erkrankungen unverzichtbar.
Chinesische Kräuter haben eine hohe Qualität – chinesische Kräuter nimmt man in der Regel als Kräuterabkochungen (Dekokte) ein. Diese schmecken nicht besonders gut. Aber, Medizin muss nicht schmecken, sie muss helfen! Und mal davon abgesehen, gewöhnt man sich schnell an den Geschmack. Manchmal bekomme ich Fragen über die Herkunft und Qualität der in Deutschland erhältlichen Kräuter gestellt. Chinesische Kräuter unterliegen in Deutschland, wie übrigens alle Apothekenprodukte, sehr strengen Richtlinien und Qualitätskontrollen. Eventuelle Unsicherheiten bezüglich der Kräuter sind somit sehr schnell aus dem Weg geräumt.
TCM-Studium außerhalb Chinas
Wie lässt sich außerhalb Chinas TCM erlernen?
In Europa und auch Deutschland im speziellen gibt es mittlerweile sehr gute Ausbildungszentren, die sich auf die Aus- und Weiterbildung in Chinesischer Medizin spezialisiert haben. Wichtig ist hierbei, dass von erfahrenen TCM-Therapeuten gelehrt wird, die im Laufe ihrer eigenen Praxis eine adäquate Menge an Patienten behandelt haben, um so eine fundierte und strukturierte Wissensvermittlung anzubieten.
Online-Unterricht zum Beispiel, um TCM ohne Vorwissen zu erlernen, wird kaum zu befriedigenden Ergebnissen führen, da es um eine medizinische Dienstleistung geht, die von Erfahrung und praktischem Erlernen am Menschen lebt. Eine tiefgehende und praxisorientierte Ausbildung kann ohne Übung von beispielsweise Zungen- und Pulsdiagnose nur in Präsenz erfolgen und von erfahrenen Lehrern vermittelt werden.
Und China? Ob sich jemand für den Weg in China selbst entscheidet oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Aber, natürlich ist die Qualität und der Umfang der Ausbildung in der TCM im Heimatland der TCM, China, immer noch am besten. Wer einmal dort war, wird die Unterschiede erkennen. Ich selber würde mich immer wieder für diesen Weg entscheiden und in China studieren. Natürlich ist es härter, ganz ohne Zweifel. Es findet jedoch eine ganz andere Form des Unterrichts und der Praktika statt, als dass es in Deutschland jemals möglich wäre. Niemals habe ich in Wissen und Erfahrung vergleichbare TCM-Gelehrte in unseren Breitengraden gesehen. Und mal davon abgesehen, im Laufe der Zeit lernt man so viele Aspekte der chinesischen Kultur kennen.
TCM-Erfahrungen für die Gesundheit im Alltag
Wie können wir im Alltag gesundheitlich von TCM profitieren?
Die TCM arbeitet präzise, individuell und natürlich. Als Ergänzung oder Alternative zur klassischen Schulmedizin ist sie ein ganzheitliches und bewährtes Medizinsystem. Sie arbeitet zudem auch präventiv. Was ist damit gemeint?
Die Gesundheitspflege, sprich die Vorbeugung von Krankheiten, ist ein weiteres wichtiges Konzept der TCM. Prävention im Sinne der TCM beginnt, bevor eine Krankheit entsteht. Wie auch die TCM-Behandlung ist die TCM-Prävention immer individuell und richtet sich je nach Person, Jahreszeit, Lebensalter usw. Ziel ist es, das gesunde Leben zu “pflegen” bzw. die Gesundheit zu erhalten und das Wohlbefinden zu verbessern. Das Konzept nennt man im übrigen „yǎngshēng“. Dazu gehören unter anderem eine gesunde Ernährung, Bewegungsübungen, Meditation oder auch Massagen. Worum geht es also bei yǎng shēng? An erster Stelle steht immer ein gesundheitsfördernder und krankheitsvermeidender Lebensstil.
Aber dazu erzähle ich dann gerne mehr in einem weiteren Beitrag. In diesem Sinne, bleiben Sie gesund! Ihre Sabine Schmitz
Über die Autorin
Sabine Schmitz hat chinesische Medizin in China studiert und leitet heute als TCM-Therapeutin eine eigene Praxis für Traditionelle Chinesische Medizin in Köln. Sie ist Autorin von zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen und TCM Fachbüchern. Außerdem ist sie die Gründerin von Chinamed Cosmetics, Hautpflege mit TCM Kräutern, made in Germany.
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Artikelbild: Unsplash / 五玄土 ORIENTO
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