Marketing betreiben, um chinesische Gäste und Kunden anzusprechen? Bis vor einiger Zeit bestand die einzige Aufgabe für Hotellerie und Einzelhandel in Deutschland darin, die Türen zu öffnen und eventuell noch chinesischsprachiges Personal einzustellen. Chinesische Reisende waren ein Garant für hohe Einnahmen, mittlerweile hat sich die Situation etwas verändert. Visaschwierigkeiten, politische Ereignisse und Unglücksfälle beschränken aktuell die chinesische Begeisterung für Europa und Deutschland. Dies bedeutet auch: Es wird Zeit für besseres Marketing.
Deutschland als Europameister im Einhalten der Visa-Regeln
Chinesische Reiseunternehmer beklagen sich nicht erst seit diesem Jahr über das komplizierte Visaverfahren für Deutschland. Im Vergleich zu anderen Ländern in Europa sei es hierzulande aufwendiger und langwieriger, die begehrten Dokumente für die Einreise zu erstehen. In Deutschland werden die Visa-Regeln für Chinesen nach dem Schengen-Abkommen sehr strikt umgesetzt. Frankreich im Vergleich hat die Regeln bisher lockerer interpretiert und beispielsweise keine Hotelbuchung oder Original-Einladungsschreiben verlangt, die Chinesen umständlich und kostspielig ins Ausland schicken müssen. Gerade spontane Reisende aus China – und davon gibt es einige – fühlen sich von der deutschen Handhabung abgeschreckt. Als Ergebnis werden immer häufiger die europäischen Nachbarländer als Einreiseziel gewählt.
Terrorismus und Verbrechen an Chinesen sorgen für schlechte Presse
Über Rassismus und Neonazis im Osten von Deutschland wird schon länger in Chinas Medien berichtet. In ihren chinesischen Kommentarforen berichten Auslandschinesen auch regelmäßig von schlechten Erfahrungen mit unfreundlichen oder ausländerfeindlichen Menschen in Ostdeutschland. Trauriger Höhepunkt war im Mai 2016 der Fall einer 25-jährigen Studentin aus China, die in Dessau vergewaltigt und umgebracht wurde. Hiernach ging ein Aufschrei durch die sozialen Medien der in Deutschland lebenden Chinesinnen und Chinesen, der bis heute nicht ganz verstummt ist. Die chinesische Botschaft in Berlin veröffentlichte obendrein einen Leitfaden mit Sicherheitshinweisen und wies gesondert auf die vereinzelte Fremdenfeindlichkeit im Osten Deutschlands hin. Nach dem schrecklichen Bus-Anschlag im auch bei chinesischen Reisenden sehr beliebten Nizza Mitte Juli 2016, war es ausgerechnet eine Familie aus Hongkong, die wenige Tage später beim Axt-Angriff in einer deutschen Regionalbahn attackiert wurde. Auch diese Ereignisse werden die grundsätzlich starke Anziehungskraft Deutschlands auf chinesische Touristen vorerst weiter schmälern.
Presse- und Marketingarbeit für chinesische Zielgruppen
Auf Chinesen fokussierte Tourismusanbieter in Deutschland spüren bereits die Auswirkungen der jüngsten Ereignisse. Die Stimmung ist gedrückt und die Prognosen für das laufende Jahr wurden leicht gesenkt. Viele setzen in der jetzigen Situation auf verstärktes Marketing, wie ein Hotelbetreiber aus München erklärt: „Wir wissen aus der Vergangenheit, dass selbst so schlimme Vorfälle die chinesischen Reisenden nicht langfristig abschrecken werden. Aber wir machen zusätzliches Marketing, um die ruhigere Phase effektiv zu nutzen und besser aufgestellt zu sein, wenn wieder mehr Gruppen kommen.“ Chinesische Touristen geben nach wie vor mehr Geld in Deutschland aus als jede andere Reisenation. Auf bis zu 897 € beläuft sich der Durchschnittsbon der Tax-free-Einkäufer aus China, in Frankfurt und München wird im Städtevergleich besonders viel geshoppt.
„Deutschland noch immer Magnet für chinesische Touristen“
Wie in Zeiten schlechter Presse positive Signale nach China versendet werden können, wissen die Experten der China-Kommunikation: „Deutschland ist an sich noch immer ein Magnet für chinesische Touristen. Wir nutzen gezielt chinesische Medien, Reiseportale und Kommentarforen, um unsere deutschen Kunden aus der Tourismusbranche selbst in dieser schwierigen Zeit ins beste Licht zu rücken.“ Auch eine chinesischsprachige Internetseite und natürlich der Einsatz chinesischer Social Media seien sehr empfehlenswert, um gerade junge Individualreisende aus China anzusprechen. Insgesamt muss sich wohl niemand fürchten, ganz auf chinesische Kunden verzichten zu müssen. Doch gilt es nun, diese Klientel gezielter anzusprechen und noch besser zu umsorgen.
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