Von ICC-Redakteur Malte Steffenhagen
Die Nachricht vom Tod Fidel Castros ging vor einigen Tagen um die ganze Welt. Die unterschiedlichsten Reaktionen waren zu hören und zu lesen. Die einen lobten sein Lebenswerk und sein Vermächtnis, die anderen bezeichneten ihn als Diktator und Tyrann. Eines ist zumindest kaum bestreitbar: mit Fidel Castro starb ein großer Politiker, der über Generationen hinweg zum politischen Weltgeschehen gehörte. Wie wurde er in China wahrgenommen und wie steht es um die chinesisch-kubanischen Beziehungen?
Wie viele Politiker in der Welt kondolierte nach dem Tod Fidel Castros auch die chinesische Führung offiziell mit einem Kondolenzschreiben an Raúl Castro. Xi Jinping 习近平 und Li Keqiang 李克强 sprachen der kubanischen Regierung und dem kubanischen Volk sowie der Familie Castro persönlich wie auch im Namen der chinesischen Regierung und des Volkes ihr Mitgefühl aus. Man werde den Genossen Fidel als Gründer, Beschützer und Förderer der chinesisch-kubanischen Beziehungen in Erinnerung behalten. Außerdem erklärten Xi und Li, dass man die Freundschaft der beiden Länder sehr schätze und ihr immer noch eine große Bedeutung beimesse. Diese Freundschaft solle auch in Zukunft weiterhin gepflegt und ausgebaut werden, sodass beide Völker davon möglichst profitieren mögen.
Doch wie stand und steht es abseits des jüngsten Trauerfalls um die chinesisch-kubanischen Beziehungen. Auf welchen Grundlagen beruht die gemeinsame Geschichte der beiden kommunistischen Brüderländer? Wie könnten sich die Verhältnisse in den kommenden Jahren und Jahrzehnten entwickeln?
Geschichte der chinesisch-kubanischen Beziehungen
Die Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen der VR China und Kuba beginnt mit der erfolgreich beendeten Revolution unter der Führung von Fidel Castro im Jahre 1959. Im darauffolgenden Jahr beendete Kuba seine diplomatischen Beziehungen mit Taiwan, wodurch einer Aufnahme von diplomatischen Gesprächen mit dem kommunistischen China nichts mehr im Wege stand. Bereits 1961 fand der erste Staatsbesuch eines kubanischen Vertreters in China statt. Damals trafen Che Guevara und Mao Zedong 毛泽东 aufeinander und besiegelten mit diesem Besuch die ersten diplomatischen Beziehungen Chinas mit einem Land der westlichen Hemisphäre. Bei diesem Anlass wurde ein Abkommen zu kulturellem Austausch verfasst, jedoch fand in den kommenden Jahren de facto wenig kultureller Austausch statt. Obwohl vor der kubanischen Revolution keine politischen Kontakte existierten, bestand allerdings bereits seit Jahrzehnten ein reger Handel zwischen der VR und Kuba. Vor allem spielte der Zuckerexport von Kuba nach China eine zentrale Rolle.
Im Zuge des chinesisch-sowjetischen Zerwürfnisses sollten die bilateralen Beziehungen jedoch deutlich kälter werden und beinahe zum Stillstand kommen. Kuba schlug sich auf die Seite der Sowjetunion, was der chinesischen Regierung partout nicht gefiel, und begann obendrein auch noch Kritik an Chinas Politik zu äußern. Daraufhin wurden die Beziehungen der beiden Staaten auf Eis gelegt und existierten einige Jahrzehnte nur noch auf dem Papier. Eine Wende brachte die Reform- und Öffnungspolitik (gaige kaifang 改革开放) unter der Führung von Maos Nachfolger Deng Xiaoping 邓小平. Zu Beginn der 1980er Jahre wurden erste vorsichtige Versuche unternommen, die gestörten Verhältnisse wieder zu verbessern. 1987 trafen dann zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder einige Abgeordnete der Kommunistischen Partei Kubas mit ihren entsprechenden Amtskollegen der Kommunistischen Partei Chinas aufeinander. Noch in diesem Jahr wurde das 1960 erstmals abgeschlossene Abkommen erneut unterzeichnet. Im Zuge dessen wurde der jährliche Austausch zwischen beiden Ländern vertraglich festgelegt.
Status quo: reger Wirtschafts- und Bildungsaustausch
Seitdem ist der Austausch beider Staaten durch stetiges Wachstum geprägt. China hat sich binnen kürzester Zeit zu Kubas zweitgrößtem Handelspartner weltweit nach Venezuela entwickelt. Der Handel wächst weiterhin und die wirtschaftlichen Beziehungen basieren vornehmlich auf Krediten und Investitionen. Auch im Bildungssektor herrscht ein reger Austausch bereits seit der Einrichtung von Austausch- und Stipendiatenprogrammen im Jahre 1984. Inzwischen haben beide Staaten ein gemeinsames Abkommen über Bildungsaustausch unterzeichnet. Nach der langen diplomatischen Eiszeit unterstützen China und Kuba sich jetzt wieder gegenseitig: China unterstützt Kuba im Kampf gegen die Einmischung durch fremde Staaten und bei der Einhaltung seiner Souveränität. Im Gegenzug unterstützt Kuba China bei Menschenrechtsfragen, bei der Taiwan-Problematik und beim Thema Tibet.
Noch vor Kurzem, im September 2016, stattete Li Keqiang 李克强 als erster chinesischer Regierungschef Kuba einen Besuch ab. Der heutige Präsident Xi Jinping hat seine erste diplomatische Dienstreise nach Kuba bereits 2011 absolviert und bezeichnete die beiden befreundeten Länder als „gute Freunde, gute Genossen, gute Brüder“ (hao tongzhi, hao xoingdi, hao pengyou 好同志,好兄弟,好朋友). Raúl Castro war bereits 2004 zum ersten Mal nach Peking gereist und traf dort auf den damaligen Präsidenten Hu Jintao 胡锦涛. 2014 lobte Kubas Regierung den chinesischen Präsidenten Xi für seine Bemühungen, den Sozialismus chinesischer Prägung (zhongguo tese shehui zhuyi中国特色社会主义) voranzutreiben und verlieh ihm eine Ehrenmedaille für seine Erfolge.
Ausblick: Zweckbeziehung mit ideologischem Beiklang
Heute stehen die politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen auf einer recht stabilen Basis. Viele Verträge in den Bereichen Wirtschaft und Technologie und vielen anderen versprechen einen Aufwärtstrend. Der Kontakt zwischen China und Kuba ist derzeit sehr eng, und beide Länder planen zukünftig eine noch engere Zusammenarbeit und noch bessere Kommunikation. Die Basis, welche die beiden Länder verbindet, ist die gemeinsame Ideologie. Jedoch spielen wirtschaftliche Vorteile und die Hoffnung auf mehr Einfluss eine nicht weniger wichtige Rolle. So dient China für Kuba als Lieferant für neue Technologien, und in Kuba sieht China ein mögliches Tor zu Lateinamerika.
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