Viele haben manchmal das Gefühl, dass der „Dienst am Menschen“ auf eine Art Gewerbe reduziert wird, in dem möglichst viel Geld verdient werden soll. So sollte es nicht sein? Es ist nie zu spät, dass sich medizinisches Fachpersonal wieder auf das Wesentliche konzentriert, auch in China und Japan gibt es viele gute Beispiele. Ärzte als Vorbild für die Gesellschaft – Eindrücke aus Asien.
Es ist eine Tatsache, dass im medizinischen Bereich vermehrt betriebswirtschaftlich profitable Leistungen erbracht werden, während weniger attraktive Leistungen vernachlässigt werden. Das geschieht in der Regel aus dem ganz einfachen Grund, dass die Umsätze gesteigert werden wollen. Ökonomische Motive stehen oft im Vordergrund, das Wohl des Patienten ist nicht selten zweitrangig.
Nie zu spät, wieder zum Vorbild zu werden
Muss das so sein und so bleiben? Jeder Arzt und Therapeut hat die Wahl, sich (wieder) dafür zu entscheiden, Zeit und Empathie in das Wohl der Menschen zu investieren und ebenso ethisch moralische Aspekte an erste Stelle zu setzen. Was uns zum eigentlichen Thema bringt. Es gibt sie noch: Ärzte und Therapeuten, die den Dienst am Mensch ausüben, genau so, wie es der Satz beschreibt – den Menschen und ihrem Wohl dienen.
Vorbilder der Traditionellen Chinesischen Medizin
In China kenne ich TCM-Ärzte, die bis ins hohe Alter ihren Beruf ausüben. Sie haben ihr Leben der TCM und dem Wohle der Menschen gewidmet. Und wissen Sie was? Gerade diese Ärzte, mit solch einem enormen Wissensschatz, werden von den Patienten am meisten geschätzt. Nicht selten kam es vor, dass der Wartebereich vor deren Behandlungszimmern brechend voll war und hingegen der Wartebereich der nächsten Tür nur halb so voll.
Mit 87 Jahre noch aktiv in der chinesische Kräutermedizin
Ein Arzt fällt mir auf Anhieb ein, zu nennen: Herr Dr. Lu Xiangchang, von dem ich vor 15 Jahren lernen durfte. Dr. Lu ist mittlerweile – halten Sie sich fest – 87 Jahre jung und praktiziert noch immer chinesische Kräutermedizin im größten TCM-Krankenhaus in Hangzhou, dem Provincial Hospital. Er ist Spezialist auf dem Gebiet von Rheuma-Erkrankungen und wurde mehrmals ausgezeichnet. Seine Behandlungsstrategien benutze ich in der Praxis bis heute.
Ich erinnere mich, wie überfüllt das Behandlungszimmer jeden Morgen war, teils gefüllt mit Patienten und teils mit Studierenden. Studierende, die im Übrigen sehr respektvoll mit solch ehrwürdigen Ärzten umgehen. Denn es ist ein großes Glück, an solchem Wissen teilzuhaben zu dürfen. Es handelt sich um Wissen, das später dem Wohle unserer eigenen Patenten dient.
90 Jahre und „Vergiss dich selbst, diene anderen“
Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch Dr. Shuto Denmei aus Japan nennen. Der Meister der japanischen Akupunktur, der im Jahr 2022 Jahr 90 Jahre alt geworden ist. Auch er praktiziert noch immer äußerst agil sein Handwerk. Er akupunktiert in einer Geschwindigkeit und Präzision, dass einem manchmal schwindelig wird.
Vor seiner Praxis steht ein Schild, auf dem steht „Vergiss dich selbst, diene anderen“. Das sagt alles aus, wofür er, Dr. Lu und viele andere Ärzte, die ich in China kenne, stehen – und ich möchte mich hier einschließen, denn das sind auch meine Werte!
Erkenntnisse aus der Geschichte der TCM
Es lohnt ein Blick auf zwei Zitate. Das eine stammt von Sun Simiao, einer der wohl bekanntesten Ärzte aus der frühen TCM. Das andere kommt vom weniger bekannten Arzt, Zhang Gao, mit einer ebenso schönen Beschreibung, warum Medizin so wichtig ist und wie ein guter Arzt handeln sollte:
„Wenn ein großer Arzt Krankheiten behandelt, muss er geistig ruhig sein und seiner Natur treu bleiben. Er sollte sich nicht seinen Wünschen und Begierden hingeben, sondern er sollte zugleich Mitgefühl entwickeln. Seine Berufung ist es, Bereitschaft zu zeigen, jedes Lebewesen zu retten. Wenn jemand wegen einer Krankheit oder eines anderen Problems Hilfe sucht, sollte ein großer Arzt nicht auf Status, Reichtum oder Alter achten. Er sollte nicht in Betracht ziehen, ob die Person attraktiv oder unattraktiv ist, ob sie ein Feind oder ein Freund, gebildet oder ungebildet ist. Sondern er sollte jeden gleich behandeln und so, als ob er sich selbst behandeln würde. Er sollte nichts begehren und alle möglichen Konsequenzen ignorieren. Er sollte nicht über sein eigenes Glück oder Unglück nachdenken und dadurch in der Lage sein, Leben zu retten und Mitgefühl zu zeigen. Folglich sollten sich Ärzte nicht auf ihre Exzellenz verlassen oder nach materiellem Gewinn streben. Der Reichtum anderer sollte nicht der Grund dafür sein, teure Behandlungen und Medikamente zu verschreiben, die den Zugang zu Hilfe erschweren. Reichtum sollte auch kein Grund sein, um Verdienste und Fähigkeiten hervorzuheben. Ein solches Verhalten muss als Widerspruch zu den Lehren der Großherzigkeit gesehen werden. Es sollte nur darum gehen, anderen zu helfen. Ein Arzt sollte auch kühn und mutig, aber dennoch kenntnisreich sein. Er sollte intelligent denken und doch methodisch handeln.“ – TCM-Arzt Sun Simiao (581–682 n. Chr.) aus seinem Werk „Qian Jin Fang“.
„Der Heiler (Arzt) sollte sich denken: „Die Leiden der Menschen sind nicht anders als meine. Wenn jemand kommt und mich bittet, mich um einen Patienten zu kümmern, werde ich mich sofort auf den Weg machen, ohne zu zögern. Stellt nicht die Hohen oder die Niedrigen infrage, unterscheidet nicht zwischen den Reichen und den Armen, sondern konzentriert euch auf die Rettung der Menschen, und es wird jemanden geben, der euch in der Unterwelt segnen wird.“ – Zhang Gao (1149–1227 n. Chr.)
Spiritualität, Moral und Selbstkultivierung in TCM
TCM und Ärzte als Vorbild? Allein diese zwei Auszüge sind aussagekräftig genug, um zu erahnen, welche Gedanken über Spiritualität, Moral, Selbstkultivierung und die Bedeutung von Leben diese TCM-Ärzte hatten. Die Tradition der chinesischen Medizin hat tiefe Wurzeln in der Vergangenheit.
Wohin es von hier aus geht, ist unsere Entscheidung, aber wir sollten immer daran denken, Kraft und Inspiration aus unseren Wurzeln zu schöpfen. Wir haben die Wahl, welche Art von Arzt oder Therapeut wir sein wollen!
In diesem Sinne, achten Sie auf sich! Ihre Sabine Schmitz
Über die Autorin
Sabine Schmitz hat chinesische Medizin in China studiert und leitet heute als TCM-Therapeutin eine eigene Praxis für Traditionelle Chinesische Medizin in Köln. Sie ist Autorin von zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen und TCM Fachbüchern. Ihr neuestes Buch trägt den Titel „Treating Acne and Rosacea with Chinese Herbal Medicine“ und ist im Verlag Singing Dragon erschienen. Sabine Schmitz ist Gründerin von Chinamed Cosmetics, Hautpflege mit TCM Kräutern, made in Germany.
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