Wie in früheren ICC-Artikeln beschrieben, sind Begrüßungsrituale in China noch immer sehr wichtig. Der Nachname steht im Chinesischen in der Regel vor dem Vornamen und bei der Anrede sind Titel wie Doktor(in) oder aber auch Lehrer(in) weitaus gebräuchlicher als im Deutschen. Dass Visitenkarten am besten mit beiden Händen überreicht werden, erklärt wohl jeder Business-Knigge für China. Doch mittlerweile hat sich WeChat als eine neue Visitenkarte oder wenigstens als wichtige Ergänzung in China durchgesetzt.
Der Austausch von Visitenkarten gehört im Reich der Mitte nach wie vor zum guten Ton. Nicht ganz so streng wie in Japan, wird heutzutage das chinesische Ritual etwas lockerer gehandhabt. Trotzdem empfiehlt es sich weiterhin, auf die Regeln der Höflichkeit beim Überreichen und Empfangen der Visitenkarten zu achten. Beim Erhalten einer Karte sollte man diese kurz studieren und anschließend am besten prominent auf den Tisch vor sich legen oder in die Brusttasche stecken. Wer als Ausländer länger in China ist beziehungsweise regelmäßig Kontakt mit Chinesen hat, wird bereits wissen, dass im Verlauf der Kontaktanbahnung früher oder später auch nach WeChat gefragt werden kann.
Visitenkarte vs. WeChat – ähnlich, aber nicht austauschbar
Die Visitenkarte aus Papier ist im Vergleich zu WeChat in China der offizielle Weg. Sie ist in manchen Situationen fast einem Dokument gleichzusetzen. Wenn Delegationsgruppen aus China nach Deutschland reisen, müssen sie mitunter die Visitenkarten der Besuchten mitbringen, um zu beweisen, dass sie auch wirklich vor Ort waren. Wer bei einem Treffen keine Visitenkarten dabei hat oder diese nicht herausrückt, der gilt schnell als unseriös oder – seltener – als besonders wichtig. Für Geschäftsleute ist eine aussagekräftige Karte Pflicht, manche Beamte verzichten darauf, sie auszutauschen, weil sie eben als Staatsdiener und nicht als Unternehmer gelten möchten.
WeChat als neue Visitenkarte in China – „Ni you Weixin ma?“
Chinesen wissen zwar, dass im Westen Facebook und WhatsApp die verbreiteten Plattformen sind. Doch werden Ausländer mit Chinaerfahrungen immer häufiger auf WeChat angesprochen. Dann heißt es auf Chinesisch „Ni you Weixin ma?“ 你有微信吗? oder auf Englisch „Do you have WeChat/Weixin?“ Selbstverständlich sind diese Frage und das dahinter stehende Angebot hingegen nicht. Denn der WeChat-Kontakt ist mehr als nur die förmliche Visitenkarte. Er ist die Einladung, künftig etwas persönlicher zu kommunizieren. WeChat ist in dieser Situation eine Mischung aus Xing/Linkedin und Facebook, im Vergleich zu Facebook jedoch wiederum ein wenig unpersönlicher. Grundsätzlich entspricht die WeChat-Verbreitung in China der dortigen Vermischung von Privat- und Berufsleben. Während man in Deutschland diese Welten zu trennen versucht, ist es in China weitaus üblicher, mit Arbeitskollegen und Geschäftspartnern auch nach Feierabend in Kontakt zu bleiben.
Technische Möglichkeiten von WeChat: die Networking-Maschine
Es heißt, Facebook kupfert für technische Neuerungen mittlerweile bei WeChat ab. Lädt man sich die chinesische App herunter, die inzwischen auch auf Englisch und auf Deutsch erhältlich ist, erfährt man, warum das so sein könnte. WeChat kombiniert die Funktionen von verschiedenen Anwendungen, die außerhalb von China nur durch mehrere Apps abgedeckt werden. Mit WeChat lässt sich wie mit jedem Instant-Messanger entspannt chatten, aber auch wie mit Skype telefonieren. Besonders beliebt unter Chinesen sind Voice-Messages, die mit WeChat hervorragend funktionieren und sogar automatisch übersetzt werden können. Wer den Desktop bevorzugt, kann sich eine Version dafür herunterlanden. Im Alltag kann man sich gegenseitig die WeChat-ID mitteilen und sich dann ins Netzwerk hinzufügen. Darüber hinaus ist das Scannen des QR-Codes sehr praktisch, um Kontakte aufzunehmen. Nicht zuletzt gibt es unter der Kategorie „Entdecken“ die Möglichkeit, per Smartphone-Schütteln Kontakte in der direkten Umgebung zu erfassen oder aber mit der Einstellung „Personen in der Nähe“ WeChat-Nutzer im weiteren Umfeld zu finden, die diese Funktion auch eingestellt haben. Natürlich kann man mit WeChat ebenso Kontakte empfehlen und weiterleiten, was in China sehr intensiv betrieben wird.
Erfolgreiches Selbst- und Fremd-Marketing mit WeChat
Um Kontakte zu pflegen und zu informieren, gibt es auf WeChat die sogenannten „Moments“ (auf Chinesisch interessanterweise „Freundeskreis“ 朋友圈 genannt). In diesem Bereich kann man Twitter- oder Facebook-Timeline-ähnliche Kurznachrichten als Updates zur eigenen Person absetzen. Um bei Geschäftsfreunden im Gedächtnis zu bleiben und zu zeigen, wo man aktuell unterwegs und aktiv ist, sollten die „Moments“ mit Leben gefüllt werden. Dazu gehört es auch, bei wichtigen Kontakten ab und zu eine Statusmeldung zu liken oder zu kommentieren. WeChat hat sich hier als wichtige Selbst-Marketing-Plattform etabliert. Aufgrund der eleganten Verbindung von Privat- und Berufsleben auf WeChat ist das soziale Medium auch für Marketing-Kampagnen sehr beliebt. Anders als WhatsApp ist WeChat für Nutzer bisher langfristig komplett kostenlos zu haben. Wer jedoch bezahlte Werbung schalten möchte, sollte mit dem Konto indes im Plus sein. Der offizielle Einstiegspreis für Werbekampagnen auf WeChat wurde zwar kürzlich gesenkt, liegt mit rund 7.500 US-Dollar aber trotzdem noch verhältnismäßig hoch.
Autor: China-Kommunikation
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