„In China dreht sich alles ums Essen!“ Das hört man immer wieder. Aber stimmt das wirklich? Schaut man sich die chinesische Sprache an, dann bestätigt sich dieser Eindruck. Essen hier, Essen da, Essen überall. Überzeugen Sie sich selbst…
Einen Eindruck von Chinas Essenskultur gibt die beliebte chinesische Fernsehsendung Shejian shang de zhongguo 舌尖上的中国 (China auf der Zunge / A Bite of China). Chinas reichhaltige und abwechslungsreiche Küche hat einfach für jeden Genießer etwas zu bieten.
Auch die chinesische Sprache ist stark durch die Esskultur und das Essen geprägt. Die folgende Liste aus dem chinesischen Internet zählt auf, in welchen Begriffen und Redensarten das Wort „essen/Essen“ (chi 吃 / fan 饭) enthalten ist. Sie zeigt anschaulich, wie wichtig in China die Nahrungsaufnahme ist:

Ich habe endlich verstanden, dass die chinesische Kultur eine Kultur des Essens ist: Eine Arbeitsstelle nennt man „Reisschale“ (fanwan 饭碗); über die Runden kommen heißt „den Mund voll kriegen“ (hukou 糊口); einen Job zu bekommen nennt man „etwas zum Essen mischen“ (混饭吃); gut zu leben heißt „überall etwas zu essen kriegen“ (chidekai 吃得开), beliebt zu sein heißt „Schmackhaftes essen“ (chixiang 吃香); gut versorgt zu werden heißt „eine Portion extra zu bekommen“ (chi xiaozao 吃小灶); das Gesparte aufzubrauchen nennt man „das Kapital aufessen“ (chi laoben 吃老本); begrabscht jemand eine Frau, heißt das „Tofu essen“ (chi doufu 吃豆腐); lebt man von den Alten, heißt das „Altes nagen“ (kenlao 啃老); wenn der Mann von der Frau lebt, heißt das „weichen Reis essen“ (chi ruanfan 吃软饭); eifersüchtelt man, dann heißt das „Essig essen“ (chicu 吃醋); wenn man zu nichts mehr taugt, nennt man das „trockenen Reis essen“ (chi ganfan 吃干饭).
Einige Begriffe versteht man leicht aus der wörtlichen Bedeutung heraus, dass etwa die Arbeitsstelle mit der Reisschale zu tun hat, leuchtet ein. Andere Phrasen sind wörtlich kaum zu begreifen: Warum sagt man, „jemandes Tofu essen“, wenn ein Mann eine Frau unsittlich berührt? Was kann der arme, eigentlich doch gesunde und leckere Tofu dafür? Um das zu verstehen, bedarf es etwas mehr Fantasie…

Genau genommen gibt es noch einige weitere Wendungen im Chinesischen, in denen Essen eine Rolle spielt. Viele wissen, dass die Grußfloskel „Schon gegessen?“ (Chi le ma 吃了吗?) im Chinesischen häufig wie im Deutschen die Floskel „Wie geht’s?“ verwendet wird. Eine Antwort kann hier entfallen. Ein weiteres Beispiel: „Bitteres essen“ (chiku 吃苦) steht im Chinesischen für „eine harte Zeit durchmachen“ oder „es schwer haben“.
Hungersnot ist in China nur noch selten ein Thema, dennoch bleiben zahlreiche Begriffe, die mit Essen und Nahrungsmangel zu tun haben, im Sprachgebrauch erhalten. Das kann man nun unterschiedlich interpretierten – mit Chinas Traditionsverbundenheit oder auch mit Chinas großartiger Esskultur. Alle, die schon einmal im Reich der Mitte waren, werden dies bestätigten: Kochen können die Chinesen – so gut, dass es einen kaum noch interessiert, was da jetzt eigentlich auf dem Teller lag…